Viele schwarze Balken

betr.: „Schily ganz Chef“ (Stasi-Akten-Streit), taz vom 11. 7. 01

Wir Deutschen werden im Konfliktfall schnell grundsätzlich. Das tut der Sache nicht immer gut.

Da erklärt ein gestandener Bürgerrechtler der DDR, der nun wahrlich nichts zu verbergen hat, es wäre ihm lieber gewesen, seine Akten wären der Öffentlichkeit nie zugänglich gemacht worden. Da stellen ganze Heerscharen von Journalisten die Frage, ob nicht die zehnjährige Tätigkeit der damaligen „Gauck-Behörde“ für illegal erklärt werden müsste. Da versucht ein Innenminister per Ordre de Mufti seine Rechtsauffassung durchzusetzen. Was ist geschehen?

Ein prominenter Bundesbürger hat sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingeklagt. Diesen Weg zum Richter wird ihm niemand verwehren wollen. Er hat in der ersten Instanz gewonnen und mag sich freuen. Ein Vorgang, der, „beträfe er nicht den DDR-Geheimdienst“, niemanden interessieren würde. Hier aber liegt der Hase im Pfeffer. Es geht darum, mit rechtsstaatlichen Mitteln die kriminellen Machenschaften eines ganzen Staates aufzuarbeiten. Dass es hier zu Konflikten kommen könnte, das wusste jeder, der sich auch nur oberflächlich mit dem Stasiunterlagengesetz beschäftigt hat.

Jetzt haben wir einen. Es ist nicht der erste, aber der bekannteste. Der Konflikt muss nun ausgetragen werden, vor Gericht und in der Öffentlichkeit. Es wird weitere Gerichtsurteile in anderen Fällen geben. Die werden in die Praxis der BStU eingehen und sich an ihrer erfolgreichen alltäglichen Kleinarbeit messen lassen müssen. Und da relativiert sich auch ein „Casus Kohl“ wieder. Diesen ganz normalen Weg strebt Marianne Birthler an, und das erscheint mir gegen alle Aufgeregtheit sehr vernünftig.

Übrigens: Wer als DDR-Forscher mit den vielen schwarzen Balken in den Stasi-Unterlagen umgehen muss, der hat oft Mühe, seinen geheimen Ärger über die Verschwiegenheit der Behörde herunterzuschlucken. Mir persönlich wäre es lieber, die Stasi-Akten wären etwas offener. Kann man so etwas auch vor Gericht erstreiten? CHRISTIAN SACHSE, vom Forschungsverbund SED-Staat

an der FU Berlin

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