Ein Kandidat mit zwielichtiger Vergangenheit

Der Südkoreaner Kim Un Yong, der bei der Wahl durchgefallen ist, steht für alte IOC-Traditionen: Erpressung und Vorteilsnahme

Man stelle sich vor: Ausgerechnet Kim Un Yong, der vor zwei Jahren wegen seiner Verwicklung in den Korruptionsskandal um die Wahl von Salt Lake City zum Olympiaort 2002 um ein Haar aus dem IOC geflogen wäre, würde im Februar als neuer Chef der Organisation feierlich eben diese Winterspiele eröffnen. Dieses Szenario schien wohl selbst den hart gesottenen IOC-Mitgliedern eine Spur zu grässlich: Der Koreaner erhielt bei der gestrigen Wahl zwar immerhin 23 Stimmen, neuer Präsident wurde jedoch Jacques Rogge.

Dass Kim 1999 im IOC bleiben durfte, wurde allein der Tatsache zugeschrieben, dass der ehemalige Geheimdienstler im Sold der südkoreanischen Militärdiktatur unschöne Dinge über diverse Angehörige des Samaranch-Clubs wusste und offen damit drohte auszupacken. Es blieb also bei einem „sehr strengen Verweis“ dafür, dass sein Sohn einen lukrativen Scheinjob in Utah bekleidet hatte, seine Tochter für 5.000 Dollar ein Klavierkonzert in Salt Lake City geben durfte und die Tochter des Plattenproduzenten der Kim-Tochter ein teures Stipendium bekam. Dass Kim trotz dieser hochgradigen Anfälle von Nepotismus nahe daran war, Samaranch-Nachfolger zu werden, passt zu einer Organisation, bei deren Vollversammlung zwei Mitglieder fehlten, weil sie in ihrer Heimat wegen Korruption im Gefängnis sitzen.

Um trotz des misslichen Verweises sein Lebensziel doch noch zu erreichen, zog Kim zuletzt alle Register. „Bush war CIA, Putin war KGB, ich war nicht mal Spion“, verniedlichte der versierte Taekwondo-Kämpfer seine zwielichtige Vergangenheit. Mit 70 Jahren sei er zwar der älteste aller Kandidaten, aber bestimmt der fitteste: „Ich nehme es mit den vier anderen sogar gleichzeitig auf.“ Geübt darin, stets auf die Füße zu fallen, war Kim in jüngster Zeit omnipräsent. In Korea fungiert er als Berater von Präsident Kim Dae Jung, wirkte maßgeblich bei der Annäherung von süd- und nordkoreanischem Sport mit, in Washington vertrat er Südkorea bei der Amtseinführung von George W. Bush. Geschickt pflegte er seine alten US-Kontakte, und am Ende lobte ihn sogar Sandra Baldwin, Chefin des US-NOK, in höchsten Tönen, womit sie ihrer ebenfalls kandidierenden Landsfrau Anita Defrantz rüde in den Rücken fiel.

Die IOC-Mitglieder versuchte Kim mit jenen Privilegien zu ködern, die dem Komitee weltweit das Prädikat „korrupter Haufen“ eingebracht hatten, besonders das begehrte Recht, Bewerberstädte für Olympia zu besuchen. Zuletzt probierte er es noch mit der Verheißung einer fetten „Aufwandsentschädigung“. Gereicht hat es dennoch nicht, was das IOC vor einer neuen Zerreißprobe bewahrte. Die Wahl Kims „wäre ein furchtbarer Schlag ins Gesicht eines jeden, der mit Olympia zu tun hat“, hatte David D’Alessandro gesagt. Und der ist einer der wichtigsten Vertreter der Olympiasponsoren.

Wenn die IOC-Mitglieder etwas verstehen, dann die Sprache des Geldes. MATTI