Chirurg stoppt IOC-Exitus

Das Internationale Olympische Komitee wählt den Belgier Jacques Rogge zu seinem neuen Präsidenten und erteilt der offenen Rückkehr zu alten unguten Gepflogenheiten eine Absage

BERLIN taz ■ Der belgische Chirurg Jacques Rogge ist gestern zum neuen Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gewählt worden. Erleichterung machte sich in Moskau bei der Vollversammlung der Olympiahüter breit, weil damit das Gespenst des koreanischen Exgeheimdienstlers Kim Un Yong endgültig gebannt ist. Die Wahl des Belgiers garantiert eine geruhsame Fortführung des sanften Reformkurses, den Juan Antonio Samaranch gegen Ende seiner 21 Jahre währenden Amtszeit in der skandalgeschüttelten Organisation notgedrungen eingeleitet hatte. Kim hingegen hätte mit seinem Programm der finsteren Restauration für einen tiefen Bruch im IOC gesorgt, der durchaus den Untergang hätte bedeuten können.

Ein verführerischer Gedanke für alle IOC-Kritiker, die schon lange der Meinung sind, dass eine so wichtige Sache wie die Olympischen Spiele in zuverlässigere Hände gehört, ein Albtraum für die Mitglieder des olympischen Ordens. Diese strotzten daher, bis auf ein paar verbissene Kim-Anhänger, vor Genugtuung über eine Wahl, die Rogge bereits im zweiten Durchgang mit 59 Stimmen vor Kim (23), dem Kanadier Richard Pound (22) und dem Ungarn Pal Schmitt (6 Stimmen) gewonnen hatte. Die Amerikanerin Anita Defrantz war schon in der ersten Runde ausgeschieden.

„Eine gute Kombination zwischen dem Bewahren des Bewährten und dem Umsetzen neuer Ideen“, sieht der deutsche NOK-Chef Walther Tröger im Samaranch-Nachfolger, IOC-Mitglied Thomas Bach meint, dass Rogge das IOC „glaubwürdig“ vertreten werde. Bach, dem selbst langfristige Ambitionen auf den Posten nachgesagt werden, hatte allerdings die Kandidatur des 70-jährigen Kim per Unterschrift unterstützt. Rogge (59) könnte das Amt immerhin zwölf Jahre lang, so die neue Regel, blockieren.

Optimistisch beurteilt auch Athletenvertreter Roland Baar den neuen Würdenträger, der von Samaranch favorisiert wurde und den kleinsten gemeinsamen Nenner darstellt, auf den man sich einigen konnte: „Klasse. Nun wird neuer Wind ins IOC kommen.“ Gerhard Schröder wünschte dem Chirurgen Rogge „viel Erfolg und immer eine glückliche Hand“, Dinge, die ein IOC-Präsident mindestens so gut brauchen kann wie ein Bundeskanzler.

Und was macht Samaranch? Der wird, nachdem er noch schnell seinen Sohn ins IOC bugsierte und zum Ehrenpräsidenten ernannt wurde, Kurator des Olympischen Museums in Lausanne, das bald seinen Namen tragen soll. „Eintrittskarten“, so IOC-Sprecher Carrard, „wird er aber nicht verkaufen.“ Wer würde ihm auch die Kasse anvertrauen? MATTI LIESKE

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