Ahnungen und Planungen

Im Herbst 2002 dräuen neue Bahn-Tarife. Schon jetzt werden erste Einzelheiten bekannt

Viele Menschen sind unsicher, fragen: Was kommt da auf uns zu? Kommt es in friedlicher Absicht? Und woher kommt es überhaupt? Keiner weiß es, selbst zur Bahn AG scheinen Informationen nur spärlich durchzutröpfeln. Immerhin liegen dem energischen Unternehmen bereits „erste Informationen zum künftigen Preissystem vor“, zumindest auf der Homepage www.bundesbahn.de. So wie der Nasa bereits erste Fotos von der Oberfläche des Pluto vorliegen mögen. Und die verheißen nichts Gutes: „Wenn der Fahrgast seinen Fahrschein einen, drei oder sieben Tage vorher kauft und sich auf eine bestimmte Zugverbindung an einem bestimmten Tag festlegt, bieten die Sonderpreise eine Ersparnis von 10, 25 oder 40 Prozent auf den Grundpreis. Mit der BahnCard spart der Kunde sogar weitere 25 Prozent auf den ermäßigten Sonderpreis, also insgesamt 33, 44 , 11, 13“ oder sogar „55 Prozent“. „Sonderpreise gibt es, solange ‚der Vorrat reicht‘.“

Die Gänsefüßchen wurden von der Bundesbahn fürsorglich eingefügt, um ironisierende „Weisheiten“ des „Volksmunds“ in die „Bahnschranken“ zu verweisen. Der Clou dabei: Bahnkunden können dann in Zukunft selber bestimmen, wie viel sie gegenüber dem Grundpreis sparen.“ Wenn das mal kein Vorteil ist gegenüber Zeiten, in denen Fahrgästen ihre Einsparungen oktroyiert wurden. Wer darüber hinaus „ ‚mit Köpfchen‘ fährt, im Voraus bucht und zudem auch die BahnCard einsetzt, wird mit einer Ersparnis von bis zu 66 Prozent belohnt“, wedelt mit dem Schwanz und gibt hechelnd Pfötchen, wenn der Schaffner nach der Fahrkarte fragt.

Das mag ja noch hingehen, schließlich wird dafür der heutige ‚Tarifdschungel‘ abgelöst“ – und zwar durch einen Tariftodesstreifen, auf dem kein Gänsefüßchen mehr wächst. Die Vorteile liegen auf der Hand: Wer seine Platin-BahnCard zücken und eine halbes Jahr im Voraus einen bestimmten Platz in einem bestimmten Zug zu einer bestimmten Zeit und unter Verwendung eines bestimmten Duftwassers buchen kann („Bitte haben Sie noch etwas Geduld, über weitere Details werden wir Sie rechtzeitig informieren“), den erwartet nichts weniger als das Paradies auf Schienen, die „volle Flexibilität“.

Trotzdem können Eilige immer noch „einfach auf den Zug springen“, daran wird niemand gehindert. Dass dann allerdings die finanzielle Bärenfalle des neuen Preissystems zuschnappt, versteht sich hoffentlich von selbst. Zumal es künftig, „gerade im Wettbewerb mit PKW und Flugzeug, eine Entfernungsdegression geben“ wird. Klartext: Eine Strecke wie München–Berlin schnurrt auf wenige Meter zusammen. Kaum ist der ICE angefahren, ist er auch schon da. Wie das gehen soll? Genaues weiß keiner, nicht einmal die Bahn selbst. Die jüngste Neuigkeit auf der Bahn-Homepage aber lässt hoffen: „Es wird weniger überfüllte Züge geben“! Mancher mag nun aufatmen. Allen anderen sei der Platz im Gang direkt neben dem Ausstieg empfohlen. Auf der Seite der Leuchtreklame, weil man sonst die Heizung im Rücken hat. ARNO FRANK