Öde, bleich, wortkarg und finnisch

Aki Kaurismäkis Filme sind alles andere als gemütlich. Arte porträtiert den Regisseur und Hotelier (23.05 Uhr)

Seit 1983 beeindruckt Aki Kaurismäki mit Filmen, die vor allem eins sind: traurig. Beziehungsweise tragisch, selbst wenn dann und wann am Ende ein kleines Quäntchen Glück auftaucht. So traurig und tragisch, dass es schon beinahe auf unsere Wahrnehmung von Finnland an sich durchschlägt. Den modernen Alltag karikiert Kaurismäki als ein von skurrilen Typen bevölkertes Schlachtfeld. Seine Helden – z. B. in seiner proletarischen Trilogie „Ariel“, „Schatten im Paradies“ und „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“ – sind Bergleute, Müllfahrer, Fabrikarbeiter und Kassiererinnen. Den grünblauen Naturklischees der Tourismusindustrie von Seen und Tundra setzt Kaurismäki ein karg-schräges Finnlandbild entgegen: Grau sind die Städte, öde die Provinz, bleich und wortkarg die Menschen, deren glanzloses Leben der studierte Literatur- und Kommunikationswissenschaftler in liebloser Umwelt inszeniert.

Den Stoff für solche Sozialmelodramen findet Kaurismäki bei sich selbst, schöpft aus der Zeit vor der Filmkarriere, als er alles war – auch Heizer und Tellerwäscher. Der französische Cutter Guy Girard und der finnische Filmhistoriker Peter von Bach zeigen den 44-jährigen Regisseur als einen sehr nachdenklichen Menschen, für den auch im wirklichem Leben Tragik und Komik nah beieinander liegen. Gelegentlich gibt sich Kaurismäki, der seine Filme selbst schreibt, schneidet und produziert und dessen Produktionsfirma Villealfa rund ein Fünftel der finnischen Filmproduktion bestreitet, ähnlich wortkarg wie die Darsteller in seinen Filmen.

„Wenn ein Mensch in ein bestimmtes Alter kommt“, sagt das illusionslose Multitalent über den gegenwärtigen Stand seiner Kunst, „dann trocknen die eigenen Ideen entweder aus oder erscheinen einem so unbedeutend, dass es Zeit wird, zu den Klassikern der Weltliteratur überzugehen.“ Gedreht wurde in der ehemaligen Metallarbeiterstadt Markkila, 100 Kilometer von Helsinki entfernt. Hier hat Kaurismäki leer stehende Gebäude gekauft, eine Feuerwehrwache, das Postamt, ein Hotel, einige Wohnhäuser, mehrere Kneipen, und baut sich daraus nach und nach seine eigene kleine Welt und sein Kino-Universum.

In der voll besetzten Honolulu-Bar, die Kaurismäki neben seinem Hotel, dem „Oiva“, betreibt, moderiert er persönlich eines der traurigsten finnischen Tangolieder an. Mit der gleichen filmischen Präzision, für die Kaurismäkis Kameramann Timo Salminen steht, sind in der Arte-Dokumentation die Interviewszenen gestaltet. Im Fundus seines Filmateliers monologisiert der Finne über seine Liebe zu den Gegenständen, beispielsweise den Tresen seiner Hotelbar, der schon in „Wolken ziehen vorüber“ eine Rolle spielte. Im Schneideraum sinniert er über die Qualität finnischer Filmkopieranstalten, im Saal der Honolulu-Bar, unter einem Poster von Jimi Hendrix, über die Sprachlosigkeit seiner Filmhelden.

90 Minuten dürften Filme höchstens dauern, sagt der Regisseur, er selbst schafft es meistens in einer guten Stunde. Arte nimmt sich 55 Minuten für das Gesamtkunstwerk Aki Kaurismäki Zeit.

Wer mehr will, muss ins Internet. Unter www.sci.fi/~solaris/kauris/ eröffnet sich „Siunattu teknologia!“ – zum Glück auf Englisch. CORNELIA FLEER/STG