Bush würgt Kubas Dissidenten

Der US-Präsident setzt zwar die Politik seines Vorgängers Clinton fort, verspricht aber den Castro-Gegnern auf der Insel Hilfe. Aber die wollen sich nicht helfen lassen, denn sie fürchten negative Folgen. Außerdem setzen sie auf einen friedlichen Wandel

von TONI KEPPELER

Er findet starke Worte für die Exilgemeinde in Miami. Aber wenn es ums Handeln geht, dann zaudert er. Die Kuba-Politik des George W. Bush ist bislang faktisch die Fortsetzung dessen, was auch Bill Clinton getan hat. Am Montag sagte der US-Präsident, er werde eine umstrittene Klausel des Helms-Burton-Gesetzes für ein weiteres halbes Jahr suspendieren. Nach dieser Klausel können US-Alteigentümer ausländische Firmen verklagen, wenn diese in Kuba Immobilien benutzen, die nach der Revolution enteignet worden sind. Auch Clinton hatte sie, seit das Gesetz 1996 in Kraft getreten ist, alle sechs Monate suspendiert.

Doch Bush hat seine Präsidentschaft in Florida gewonnen und ist deshalb den dortigen Exilkubanern besonders verpflichtet. Gleichzeitig hätte es ihm ohne die Stimmen aus dem Mittleren Westen nicht gereicht. Dort will man Fidel Castro nicht in die Knie zwingen, sondern ihm überschüssigen Weizen verkaufen. Und dann sind da noch die Europäer, die ziemlich sauer werden, wenn ihre Firmen wegen Joint-Ventures in Kuba mit Klagen von US-Alteigentümern überzogen werden.

In dieser Zwickmühle entschied sich Bush für Weitermachen wie gehabt. Um den Flurschaden in Florida gering zu halten, hatte er bereits am Freitag eine Anti-Castro-Erklärung veröffentlichen lassen. Die US-Sanktionen gegen Kuba, heißt es darin, seien „nicht nur eine politische Angelegenheit, sondern eine moralische Frage“. Bush hat Anweisung gegeben, dass das seit 40 Jahren bestehende Handelsembargo gegen die Insel strikt eingehalten wird. Mit den „exzessiven und nicht genehmigten Reisen“ von US-Bürgern müsse Schluss sein. Dafür sollen Kubas Dissidenten mit Medikamenten, Lebensmitteln, Faxgeräten und Telefonen versorgt werden. Der anticastristische Propagandasender Radio Martí soll aufgerüstet werden. Konkrete Summen nannte Bush nicht.

Die Dissidenten auf der Insel schlagen ob solcher Vorschläge die Hände über dem Kopf zusammen. Seit Mitte Mai befürchten sie, dass sie von der Hilfe aus den USA erwürgt werden könnten. Damals hatten der Republikaner Jesse Helms und der Demokrat Joseph Lieberman eine Gesetzesinitiative in den Senat eingebracht, nach die Castro-Gegner in den kommenden vier Jahren mit bis zu 100 Millionen Dollar unterstützt werden sollen. „Solche Ideen helfen uns überhaupt nicht weiter“, sagt Rafael León vom „Demokratischen Kuba-Projekt“.

León erinnert sich an die beiden Tschechen Ivan Pilip und Jan Bubenik. Der Parlamentsabgeordnete und der ehemalige Studentenführer waren im Januar im Auftrag der US-Organisation „Freedom House“ gekommen und hatten ein Laptop und ein paar Kugelschreiber für Dissidenten im Gepäck. Sie wurden verhaftet und kamen erst nach einem Monat diplomatischen Kleinkriegs wieder frei.

Wenn die Staatssicherheit schon wegen einer solchen Lappalie bereit ist, internationale Verwicklungen in Kauf zu nehmen – was droht den Dissidenten, wenn Bush die Millionen lockermacht? „Es wird mehr Spannungen geben und die Regierung hat wieder einen Vorwand, sich nicht zu ändern“, sagt Elizardo Sánchez, Vorsitzender des „Kubanischen Komitees für Menschenrechte und nationale Versöhnung.“

Die Dissidenten gehen längst davon aus, dass ein friedlicher Übergang zur bürgerlichen Demokratie nur mit Castro möglich ist. Seine Regierung, sagt Sánchez, „ist noch immer außerordentlich populär“. Nur die harten unter den Exilkubanern in Florida und George W. Bush wollen den Alten stürzen sehen.

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