Rot-grün aus der Ostkurve getragen

■ Beim Forum der SpitzenkandidatInnen zur Wahl lässt das Hamburger Handwerk kein gutes Haar am Senat

Für Krista Sager war das „Ostkurve“, was sie im Großen Saal der Handwerkskammer erlebt hat. Lautstarker Unmut, aggressive Gegnerschaft – das hatte die grüne Frontfrau am Dienstagabend in dieser Form nicht erwartet. Sie sah das Verhalten der Zuhörerschaft beim Podiumsgespräch der SpitzenkandidatInnen von SPD, CDU, GAL und FDP als „Gelegenheit, die Manieren ein bisschen zu lockern“. Das hohe Interesse – der Saal war mit 600 Gästen voll besetzt – wertete sie so, dass „jemand richtig mobilisiert haben muss“. Politische Inhalte, die hinter der Erregung der Handwerkerschaft stehen könnten, will sie nicht wahrgenommen haben.

Sager und SPD-Bürgermeister Ortwin Runde holten sich die Prügel der Unzufriedenen ab. Die beiden bürgerlichen Parteivertreter konnten den HandwerkerInnen dagegen bequem nach dem Mund reden und holten sich leicht verdiente Ovationen ab.

Die Stimmung im Saal gegen Rot-Grün ist feindselig an diesem Abend. Dass ein pensionierter Malermeister verlangt, „Sager soll dafür sorgen, dass die grünen Lehrer sich erst einmal ordentlich anziehen und sich die Fingernägel säubern“, ist nur Zuspitzung des Unmutes. CDU-Fraktionschef Ole von Beust und FDP-Mann Rudolf Lange singen ihr hohes Lied der Privatisierung, fordern, das Hauptschüler wieder Pünktlichkeit und Ordnung lernen und wollen die Poller auf den Straßen – „Schikane“ – abschaffen.

Genau das wollen die Kfz-Mechanikermeister, die Tischler und kleinen Lackierer hören. Der Bürgermeister und seine Stellvertreterin dringen dagegen nicht mehr durch. „Es ist Ihnen doch scheißegal, was aus unseren Betrieben wird“, muss Runde sich entgegnen lassen. – „Sie haben es geschafft, aus den Hauptschulen eine Volks-Hilfsschule zu machen.“ – „Die Schüler lernen heute gar nichts mehr.“ – „Wie lange wollen Sie die Autofahrer noch quälen?“ – „Sie machen doch vor den Wahlen nur Atemübungen bei solchen Veranstaltungen.“ Keiner im Publikum lobte die Senatspolitik, so dass sich Handwerkspräsident Peter Becker genötigt sah, ein paar Fleißnoten an Rot-Grün zu vergeben.

Sager reagiert noch kämpferisch und verteidigt grüne Verkehrspolitik. Runde jedoch redet, wie er meistens redet: weitschweifig, seine Erfolge resumierend, über die Köpfe der 600 Leute hinweg, ohne Gespür für die Atmosphäre im Saal. Am Ende gibt es vereinzelten Höflichkeitsapplaus für den Bürgermeister und heftigen Beifall für die CDU-FDP-Kombination.

Und dabei spielte das Thema Innere Sicherheit nicht einmal eine Rolle. Peter Ahrens