Container ersetzen Grünfläche

Rund 50 Jahre lang nutzten die Mieter der Köpenicker Straße 16/17 eine Fläche neben ihrem Haus als Garten. Nun müssen die Pflanzen einem Lager für Container weichen. Das Naturschutzamt konnte nur eine Gnadenfrist von wenigen Tagen aushandeln

von DUNJA ALFERMANN

„Jetzt haben wir selbst das Naturschutzgesetz gebrochen!“ Die Frau ist aufgeregt. Und sie ist eine engagierte Naturschützerin. Lucia Sutter steht mit zwei anderen Mieterinnen in ihren Gärten zwischen ausgegrabenen Bäumen, Pflanzen und Sträuchern. Das Wasser des Teiches vor dem dicht bewachsenen Zaun fehlt. Viele der wertvollen Pflanzen sind bereits an Freunde verschenkt. Die restlichen werden noch abgeholt.

Container gegen Natur. So könnte der Titel der Tragödie über die Mietergärten in der Köpenicker Straße 16/17 in Kreuzberg lauten. Begonnen hatte sie mit dem Verkauf des Geländes der ehemaligen Heeresbäckerei.

Das war im Januar. Neuer Besitzer wurde die Heeresbäckerei Immobilienverwaltung, die durch die Polaris GmbH vertreten wird. Generalmieter wurde die Speditionsfirma Zapf. Zu diesem Zeitpunkt ruhten die Gärten noch auf dem Gelände am Spreeufer, auf dem einmal ein moderner Gewerbestandort entstehen soll. Die Idylle hielt keinen Sommer lang. Ein Brief der Polaris GmbH vom 10. Juli an die Mieter beendete sie abrupt.

In ihm wurden die Mieter aufgefordert, die „ohne entsprechende vertragliche Vereinbarung genutzten Gärten bis zum 16. Juli zu räumen und ihre persönlichen Gegenstände zu entfernen“.

Tatsächlich besaßen die Mieter für die Gärten nie ein vertragliches Nutzungsrecht. Doch in all den rund 50 Jahren, die Lucia Sutter dort schon wohnt, stellte das nie ein Problem dar. Die Mieter der drei Häuser bepflanzten das Hofgelände Jahr für Jahr. Die Kinder bemalten den grauen Schuppen bunt. Und man trank bei schönen Wetter seinen Kaffee unter den Schatten spendenen Bäumen. Lucia Sutter weiß darüber viel zu erzählen. Wie bei den anderen Mietern spielte sich ein Teil ihres Lebens in den Gärten ab. Die Begrünung des Hofgeländes wurde gern gesehen. Sogar der Senat sponserte sie zeitweise.

Doch jetzt gibt es andere Pläne für das schon immer als Industriegebiet ausgewiesene Gelände: Container auf Container. Dieses Bild könnte Lucia Sutter künftig beim Blick aus ihrem Fenster sehen. Gestapelt von der Speditionsfirma Zapf. Laut Klaus Zapf, dem Chef der Umzugsfirma, ist geplant, dort unter anderem 500 Wechselcontainer unterzubringen. Er bedauert zwar die Entscheidung gegen die Gärten, benötigt aber die Gewerbeflächen, die sich zudem in einem Innenstadtbezirk befinden. Für seine Firma habe es daher keine Alternative für diesen Stapelplatz gegeben. Bei der Polaris GmbH wollte sich gestern niemand zu der Räumungsklage äußern.

Immerhin wurden die Gärten nicht schon am Dienstag geräumt. Denn ein Vertreter des Naturschutz- und Grünflächenamt befand bei der Ortsbesichtigung, dass eine Räumung das Naturschutzgesetz brechen würden. Verlangt wurde ein Aufschub bis September, wenn die Vögel ihre Brut großgezogen haben. Erreicht wurde aber lediglich ein Aufschub für einige Tage. Ob die Bagger schon morgen vor dem Gartenzaun stehen, bleibt für die Mieter ungewiss.

„Für mich ist die Sache gelaufen“, sagt Mieterin Sabine Klünder. Für sie war der Garten mehr als nur ein Hobby. Die noch nicht ausgegrabenen Pflanzen und die angelegte Teichanlage zeugen noch von den ehemals mit viel Arbeit angelegten Areal. Die Sträucher mitten im Juli aus der Erde zu nehmen, verstößt gegen das Naturschutzgesetz. Die Mieterwissen das. Paradoxerweise brechen ausgerechnet sie jetzt das Gesetz. Aber was sollen sie tun, angesichts der drohenden Bagger, beklagt Lucia Sutter. Den Zaun habe man stehen lassen. Den könnten die Bagger schon selber zerstören.