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: Bittere Pralinen

■ Der Aspekt „Suspense“ in den Filmen von Alfred Hitchcock ist überall hinreichend gewürdigt worden. Dabei kann man jedoch leicht übersehen, dass der universelle Appeal von Hitchcocks Werk nicht zuletzt auf seinen Studien zum komplizierten Verhältnis der Geschlechter beruht. Oft entfalten seine Filme die Wirkung einer guten Praline mit verführerisch glitzernder Verpakkung: Leicht und süß erscheinen sie an der Oberfläche - ehe man unversehens zum bitteren Kern vordringt. Denn Hitchcocks Grundhaltung war eher pessimistisch - wie die drei Filme zeigen, die das Lichtblick-Kino jetzt zu einem Hitchcock-Abend zusammengestellt hat. Dabei erscheint „Bei Anruf Mord“ (1953), die Geschichte eines abgehalfterten Tennischampions (Ray Milland), der seine reiche Frau (Grace Kelly) umbringen lassen will, zweifellos als das düsterste Werk. Hier ist alles nur Lüge: die vermeintlich glückliche Ehe (auch die Gattin hat bereits einen Liebhaber) ebenso wie Millands Posen als distinguierter Gentleman. Und während Grace Kelly immer tiefer ins Unglück stürzt, bedient sich Hitchcock einer ausgeklügelten Farbdramaturgie, um die vermeintliche Ausweglosigkeit ihrer Situation zu verdeutlichen: Zusehends wird der Film immer farbloser und dunkler. „Der unsichtbare Dritte“ (1958) macht hingegen den Mann zum Opfer: Nicht nur, dass der Werbefachmann Roger Thornhill (Cary Grant) durch die Verwechslung mit einem gar nicht existierenden Agenten seine Identität bedroht sieht, er muss sich auch noch von einer dieser kühlen Blondinen (Eva Marie Saint) belügen, betrügen und permanent in Gefahr bringen lassen - ehe dann doch noch alles gut wird. Auch „Das Fenster zum Hof“ (1953) gibt einen nicht nur humorvollen Kommentar zum Thema Ehe ab: Während Grace Kelly versucht, den mehr als unwilligen Fotografen James Stewart in den Hafen der Ehe zu lotsen, beobachtet der mit seinem Teleobjektiv im gegenüberliegenden Haus Beziehungen in allen Stadien: Eine flotte Tänzerin muss ständig allerlei Avancen abwehren, ein frisch verheiratetes Paar hat unentwegt Sex, ein Ehepaar ohne Kinder verhätschelt seinen Hund. Und dann gibt es da natürlich noch den Mörder: Der hat seine nörgelnde Gattin bereits fein säuberlich zerteilt und in einem Koffer verstaut ...

„Das Fenster zum Hof“ 19. 7., 21. 7. - 25.7 ., „Bei Anruf Mord“ und „Der unsichtbare Dritte“ 21. 7. - 25. 7. im Lichtblick

■ Wer jemals John Wayne in seiner ersten Hauptrolle in Raoul Walshs „The Big Trail“ (1931) gesehen hat, der weiß, warum der Akteur in den folgenden Jahren nur noch in Serials und B-Filmen spielen durfte: Wayne wirkte derart unsicher und tapsig, dass man ihm wohl kaum eine große Karriere prophezeit hätte. Acht Jahre später hatte er sein Schauspieltalent jedoch genügend trainiert und kam in John Fords „Ringo“ groß heraus. Wayne verkörpert den sympathischen Revolverhelden Ringo, der bei der Suche nach den Mördern seines Vaters auf eine recht gemischte Gesellschaft trifft, die sich mit einer Postkutsche durch gefährliches Indianer-Territorium bewegt. Dabei wird der wahre Charakter der Protagonisten erst angesichts der Bedrohung durch die roten Krieger zu Tage treten. Das ausbalancierte Verhältnis zwischen glaubhaften Charakterporträts, brillanten Action-Sequenzen und famosen Landschaftsaufnahmen (das unvermeidliche Monument Valley) machten „Ringo“ zum Klassiker und seinen Hauptdarsteller zum Superstar. Interessant erscheint der Vergleich mit Waynes und Fords letztem gemeinsamen Western „Der Mann, der Liberty Valance erschoss“ (1962), einer Reflexion über die Kraft von Mythen und Legenden. Da verdankt ein junger Anwalt (James Stewart) seine politische Karriere einer Lüge: Während alle Welt glaubt, er habe die Stadt vom berüchtigten Revolverhelden Valance befreit, war es tatsächlich sein raubeiniger Freund und Mentor (Wayne), der den tödlichen Schuss aus dem Hinterhalt abfeuerte. Doch viele Jahre später ist der Mythos wahrer als die Wahrheit geworden, die niemand mehr hören möchte. Und auch Wayne spielt mit seiner eigenen Legende: Er muss am Ende erkennen, dass sein Schuss, der einst mit half, dem Westen die Zivilisation zu bringen, Leute seines Schlages längst hat obsolet werden lassen.

„Ringo“ 23. 7. - 24. 7., „Der Mann, der Liberty Valance erschoss“ 25. 7. im Filmkunsthaus Babylon 1

Lars Penning