Icann für Doofe

Eine in keinem Firmenregister geführte angebliche „Zentrale zur Registrierung deutscher Web-Domains GmbH“ verschickt Gebührenrechnungen an Inhaber bereits registrierter Webadressen

von NIKLAUS HABLÜTZEL

Die Staatsanwaltschaft am Amtsgericht Berlin-Charlottenburg ermittelt seit Dienstag gegen einen gewissen Siegfried Lang, nach ersten Erkenntnissen wahrscheinlich Inhaber einer Immobilienfirma und – dies steht zweifelsfrei fest – Inhaber der Web-Adresse www.z-r-w.de. Etwa 50 Anzeigen liegen vor, allesamt von Empfängern eines Schreibens, das eine mutmaßlich aus Erfahrung erwachsene Stilsicherheit im Verfassen amtsartiger Schriftstücke verrät. Bei nähererer Lektüre freilich liegt der Verdacht der Satire weit näher als der Verdacht des Betrugs, der nun die Polizei beschäftigt.

Dem sachlich-kühlen Briefkopf ist zu entnehmen, dass eine gewisse „ZRW Zentrale zur Registrierung Deutscher Web-Domains GmbH“ mit Sitz in der Kurfürstenstraße 79, 10787 Berlin Urheberin des Dokuments ist. Telefonisch erreichbar ist die Gesellschaft jedoch unter der Münchner Telefonnummer (0 89) 6 42 35 10. Die Gesellschaft beweist damit ihre bundesweite Präsenz, und ebendort, in München nämlich, scheint sich denn auch die mit dem Anligen des Schreibens unmittelbar befasste „Gebührenzentrale“ zu befinden, und zwar im „Zi. 236“.

Womöglich werden die Ermittlungsbehörden gewisse Schwierigkeiten haben, dieses Zimmer ausfindig zu machen, denn Siegfried Lang hat vergessen zu erwähnen, in welchem Gebäude es sich befindet. Es gibt keine ZRW, in Berlin-Charlottenburg jedenfalls ist keine Firma dieses Namens gemeldet und wohl auch sonst nirgendwo. Ihr Geschäftszweck ist reine Fiktion und nur dadurch glaubhaft, dass im Windschatten des großen Internetgeschäfts tatsächlich auch heiße Luft zu Geld gemacht werden kann. Siegfried Lang gibt vor, Webadressen unter der nationalen Top-Level-Domain „.de“ zu registrieren, und konnte daher sehr wohl erwarten, sein komplett sinnloses Schreiben werde wenigstes von einigen der Empfänger ernst genommen.

Die Statsitik der „Dennic“, der zwar ebenfalls privaten, aber seit Jahren im ganzen Netz anerkannten Registrierungsgesellschaft für die Top-Level-Domain „.de“, bestätigt ein wachsendes Interesse gerade privater Netzanwender an einer eigenen Domain. Auf 1.000 Einwohner im Bundesgebiet kamen letzes Jahr 43 registrierte Domains, vier Fünftel davon sind von Privatpersonen angemeldet worden. Lang konnte also mit leicht beeindruckbaren Neulingen rechnen.

Immerhin hatte in den vergangenen Monaten auch die Icann, die selbst ernannte Regulierungsbehörde des Internets, der staunenden Weltöffentlichkeit versichert, dass die Adressenendungen zu den wichtigsten Aufgaben der Netzgesellschaft gehören. Schier endlose Konferenzen haben sich mit der Frage beschäftigt, ob neue Top-Level-Domains anerkannt werden sollen. Webadressen sind Markenartikel, das Geschäft der Anmelder verspricht lukrativ zu werden.

Im Herbst soll nun endlich unter anderem das neue Kürzel „.info“ auf den Markt kommen, und allein dafür bieten in Deutschland gleich vier Firmen („epag“, „epNIC“ „Domain-Check“ und „Enter-Price Productions“ ihre Dienste an. Sie gehören zum internationalen Registratoren-Verband „Afilias“, und unter der schönen Adresse www.sunriseperiod.de sind Geschäftsbedingungen nachzulesen, die kaum weniger absurd klingen als das Schreiben der ZRW. Eine erste Runde der Adressenzuteilungen, so ist dort zu erfahren, beginne am 25. Juli. Anmeldeschluss war der 17. Juli, wer diese Frist versäumt habe, müsse damit rechen, dass sich die „Zuteilungschancen im Einzelfall reduzieren können“.

Aber auch die Ersten in der Schlange müssen befürchten, leer auszugehen. Für den Einstiegspreis von 490 Euro pro Adresse verspricht das „Sunrise Team“, lediglich einen eng begrenzen Kreis etablierter, daher kaum umstrittener Markeninhaber bei der Anmeldung ihrer Firma zu „betreuen“. Einschränkend wird von vornherein darauf verwiesen, dass dieses Ziel lediglich angestrebt werde. Eine – beim Markenschutz nahe liegende – Rechtsberatung wird ausdrücklich ausgeschlossen.

Solche Vorbilder sind es, die Lang zu seinem Scherz angeregt haben dürften. Er spielt Icann im deutschen Amtsstubenformat. In aller Form fordert auch sein Schreiben Gebühren für eine Dienstleistung, deren Sinn und Zweck nirgends erkennbar ist: „Für die Online-Schaltung Ihrer Webadresse innerhalb der Domain der ZRW GmbH fallen für den Zeitraum vom 01. 08. 2001 bis zum 31. 07. 2002 nachfolgend aufgeführte Gebühren an. Durch die Zahlung wird das Angebot angenommen. Bei Nichtzahlung wird die Webadresse unter der oben angegebenen Domain nicht online geschaltet.“

Seltsam nur, dass die Empfänger des Schreibens ja bereits eine gültige Webadresse besitzen, die ausdrücklich genannt wird. Warum sie dann erst noch online geschaltet werden muss, bleibt das Geheimnis von Siegfried Lang. Seine eigene, ordnungsgemäß registrierte Website enthält lediglich ein Anmeldeformular, allgemeine Geschäftsbedingungen, wonach zu den Leistungen auch die „Veröffentlichng der Mail-Adresse“ des Domaininhabers gehört, und eine Liste von 26 Firmen und einer Privatperson, die sich angeblich bei der ZRW registrieren ließen.

Der Nutzen, auf der Linkliste einer ansonsten völlig inhaltsleeren Homepage eingetragen zu sein, dürfte kaum noch messbar sein. Nur hat bisher auch noch niemand erklären können, worin der geldwerte Vorteil besteht, demnächst außer unter „.de“ oder „.com“ auch noch unter der bislang völlig unbekannten Endung „.info“ erreichbar zu sein. Doch der strenge Amtston der ZRW lässt solche Fragen gar nicht erst aufkommen. Spätestens bis zum „24. Juli 2001“, steht da unter der Androhung, dass „spätere Zahlungseingänge nicht berücksichtigt werden“ können, habe der Empfänger „Online-Gebühren“ in Höhe von exakt 318 Mark und 10 Pfennig zu entrichten und daher zuzüglich der Mehrwertsteuer die Summe von 369 Mark zu überweisen an die Raiffeisenbank München eG auf das Konto 1 744 062.

Vielleicht wird es den Eifer der Staatsanwaltschaft dämpfen, dass trotz der fünfzig Anzeigen bisher niemand materiell zu Schaden gekommen ist. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass es dieses Konto ebenso wenig gibt wie die Firma. Die Einzahlungen einiger verschreckter Domainbesitzer wurden von der Bank als offensichtlich irrtümliche Buchungen an die Absender zurücküberwiesen.

niklaus@taz.de