IWF erzwingt Minister-Rücktritt

Konflikt um die Privatisierung der türkischen Telekom. Anleger reagieren mit Flucht aus der Lira. Wert der Währung sinkt zeitweise um 20 Prozent im Vergleich zum Dollar

ISTANBUL taz ■ Massive Kurseinbrüche der türkischen Lira gegenüber Dollar und Mark stellen im Moment die Umsetzung des wirtschaftlichen Reformprogramms der Regierung infrage. Am Dienstag verlor die Lira gegenüber dem Dollar kurzfristig bis zu 20 Prozent. Statt 1,3 Millionen Lira kostete der Dollar 1,6 Millionen Lira.

Die panikartigen Dollarkäufe sind eine Folge des völligen Vertrauensverlustes in die Fähigkeit der Regierung, das mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) ausgehandelte Sanierungsprogramm umzusetzen. In der letzten Woche hat der IWF die Auszahlung einer bereits zugesagten Tranche von 1,5 Milliarden Dollar um mehrere Tage verzögert, weil die Telekom-Privatisierung nicht im Sinne der Vereinbarung erfolgt war.

Haupthindernis war Kommunikationsminister Enis Ökzüs von der ultrarechten Partei MHP, der zunächst erfolgreich darauf bestanden hatte, dass auch der privatisierte Vorstand der Telekom mit Parteigängern der MHP besetzt würde. Der Konflikt löste eine Koalitionskrise aus, die jetzt mit dem quasi vom IWF erzwungenen Rücktritt von Öksüz kurzfristig gelöst würde. Obwohl der Dollarkurs daraufhin gestern wieder etwas fiel (1,4 Millionen Lira), bleibt als grundsätzliches Problem der Vertrauensverlust der Regierung. Mittlerweile ist klar, dass die MHP das Reformprogramm im Grunde ablehnt und selbst vor Rücktrittsforderungen an die Adresse von Wirtschaftsminister Kemal Dervis, der als wichtigster Verbindungsmann zum Währungsfonds fungiert, nicht mehr zurückschreckt. JÜRGEN GOTTSCHLICH