OP vorbei, der Patient kann gehen

Gesundheitsministerium stellt Gesetzentwurf für neues Abrechnungssystem in Krankenhäusern vor. Künftig soll nicht mehr nach Tagessätzen, sondern nach Fallpauschalen abgerechnet werden. Ziel: Kürzere Verweildauer der Patienten

von STEPHANIE VON OPPEN

Ein Krankenhaus in Sydney: Martin O. war gerade aus der Narkose erwacht, da wollte ihm die Schwester schon in den Mantel helfen und den frisch am Knie Operierten von dannen schicken. Martin O. konnte noch eine Übernachtung im Krankenhaus erbetteln, dann ging es ins Hotel. Für die 600 Kilometer lange Heimreise war er noch nicht fit genug. In Australien kein ungewöhnlicher Fall. Bald könnten auch in Deutschland ähnliche Geschichten die Runde machen.

Die hiesige Krankenhausfinanzierung soll nach dem Vorbild Australiens reformiert werden. Das ist als Kernelement der Gesundheitsreform 2000, schon seit dem vergangenen Jahr beschlossene Sache. Am Dienstagabend nun stellte das Gesundheitsministerium den Entwurf für ein neues Gesetz vor, das über mehrere Stufen bis 2007 ein neues Vergütungssystem für die stationäre Medizin schaffen soll. Das Zauberwort darin ist aus Australien importiert und heißt Diagnosis Related Groups (DRG), zu Deutsch „fallbezogene Pauschalen“. Diese sollen die bisherigen Tagesgeldsätze ablösen, welche nach Meinung der Bundesregierung falsche Anreize setzen, die Patienten zu lange im Krankenhaus zu behalten. Längerfristig soll also eine Knieoperation in allen Krankenhäusern zwischen Flensburg und Konstanz das Gleiche kosten, unabhängig davon, wie lange die Patienten ein Bett belegen.

Um ausgewogene Fallpauschalen zu erstellen, wird in den deutschen Krankenhäusern jetzt schon fleißig dokumentiert. Am Ende werde es einen Katalog von bis zu 800 Fallgruppen geben, nach dem die Krankenhäuser abrechnen können, sagte Klaus Theo Schröder, Staatssekretär für Gesundheit. Von der Regelung ausgenommen bleibt die Psychiatrie. Schröder sprach von einer „paradigmatischen Wende in der stationären Versorgung“. Er erwarte, dass sich die Verweildauer in Krankenhäusern von durchschnittlich zehn Tagen um zwei bis drei Tagen verkürzen wird.

Befürchtungen, dass Patienten in Zukunft ähnlich wie Martin O. in Australien zu frühzeitig entlassen werden widersprach Heinz Lohmann, Vorstandssprecher des Gesundheitsdienstleisters LBK Hamburg. Das Unternehmen hat schon vor fünf Jahren ein DRG-System eingeführt. In den sieben zur LBK gehörenden Krankenhäusern seien die Leistungen eher besser geworden, behauptete Lohmann. Gleichzeitig würden mehr Patienten behandelt. Dafür sorge der Preis-Leistungs-Wettbewerb und das „professionelle Management“. Das professionelle Management der LBK Hamburg hat auch dafür gesorgt, dass von 16.000 Stellen in den Krankenhäusern 3.000 abgebaut worden sind, so Lohmann. Besonders Dienste in den Bereichen Wäscherei und Reinigung habe man ausgelagert.

Nach Einführung des DRG-Systems in ganz Deutschland, soll der Wettbewerb dafür sorgen, dass die Preise sich flächendeckend auf demselben Niveau einpendeln.

Ab 2003 können die ersten Krankenhäuser freiwillig ihr Abrechnungssystem im Sinne der DRG umstellen. Vom Jahr 2004 an ist es für alle Kliniken obligatorisch. Um die Umstellung zu erleichtern, wird den Krankenhäusern eine „budgetneutrale Phase“ versprochen. In dieser Zeit werden sie bei Überschreitungen ihres Budgets bezuschusst. Unterschreiten sie ihr Budget, müssen sie das überschüssige Geld nicht abgeben. Bis zum Jahr 2007 soll der Prozess abgeschlossen sein.

Martin O. in Australien dazu: „Wenn ich das meinen Kollegen erzähle, dass sie in Deutschland das australische Abrechnungssystem einführen, lachen die sich kaputt.“