Eine Bibel für Saterland

■ Marron Curtis Fort, Afroamerikaner und Leiter der Arbeitsstelle Saterfriesisch an der Universität Oldenburg hat das Neue Testament in die geschützte Sprache übersetzt

Auf dem platten und nicht ganz so platten Ostfriesland ist Dr. Marron C. Fort so bekannt wie ein bunter Hund. Denn kaum einer spricht die Sprachen dieser Gegend so gut wie ausgerechnet er, der erst seit 1983 in Leer lebt, ursprünglich aber aus Boston, Massachusetts stammt und – wie er selbst sagt – von „karibischer“ Hautfarbe ist. Der heutige Wahl-Leeraner arbeitet seit vielen Jahren an der Arbeitsstelle Saterfriesisch und ostfriesisches Niederdeutsch der Oldenburger Carl-von-Ossietzky-Universität. Seit 1966 untersucht er – anfangs noch auf eigene Faust – vornehmlich das Saterfriesische.

Saterfriesisch (auf saterfriesisch: Seeltersk) ist eine ganz eigenständige Sprache, die nur in den vier südwestoldenburgischen Dörfern Sedelsberg, Scharrel, Ramsloh und Strücklingen gesprochen wird. Abgeschnitten vom Rest der Welt durch unüberwindbare Moore konnte sich das Sarterfriesische fast unbeeinflusst halten und entwickeln. Heute sprechen noch etwa 2000 Menschen saterfriesisch. Die vier Dörfer bilden einen Steinwurf von der „Grenze“ zu Ostfriesland entfernt die Gemeinde Saterland.

Doch Marron Fort, der in den 60er Jahren im belgischen Gent über das Plattdeutsche Vechtas promovierte, arbeitet nicht nur in der Saterfriesisch-Arbeitsstelle. Er ist die Arbeitsstelle. Sein jüngstes Werk nun dürfte die vorläufige Krönung sein. Der gläubige Protes-tant hat in diesem Jahr das neue Testament in das Minderheitenidiom übertragen. Drei Jahre lang hat er täglich um Worte gerungen. „Es darf nicht zu sehr nach Schweinestall riechen, aber auch nicht nach Amtsstube klingen“, sagt der Akademische Oberrat, der überall im Weser-Ems-Gebiet als „der Professor“ gilt. Und macht an einer anderen Sprache vor, wie es nicht geht: „Und Jesus sä tegen sien Kumpels: düsse Phärisäers, de sünt all Schietkerls“, wäre die Übersetzung von „Und Jesus sagte zu seinen Jüngern: Diese Pharisäer sind unangenehme Zeitgenossen“ ins Rheiderländer Platt. Aber Schietkerle? Das dann doch nicht.

Fort konnte bei der Wortsuche allerdings auf die wenigen älteren Textdokumente der ursprünglich zwischen Den Helder und Sylt gesprochenen Sprache zurückgreifen. So stehen ihm etwa die zehn Gebote in einer altfriesischen Fassung aus dem 14. Jahrhundert zur Verfügung. Sie geben Anhaltspunkte, wenn sie auch nicht Teil des Neuen Testaments sind.

Das Saterfriesische gehört nicht zu den niederdeutschen Dialekten, es ist vielmehr mit dem Friesischen der niederländischen Provinz Friesland (Fryslan) und dem des schleswig-holsteinischen Kreises Nordfriesland verwandt. Mit dem Inkrafttreten der Europäischen Regional- und Minderheitensprachencharta am 1. Januar 1999 gehören das Friesische neben dem Sorbischen, dem Dänischen (Süderjütischen), dem Niederdeutschen und dem Romanes der Sinti und Roma zu den anerkannten europäischen Minderheitensprachen. Doch bereits 1998 haben es die SaterfriesInnen als kleinste europäische Sprachminderheit ins Guiness-Buch der Rekorde geschafft.

Für ihr Selbstbewusstsein hat nicht zuletzt Marron Fort gesorgt. Mittlerweile wird die kleine Sprache sogar in Kindergärten gelehrt – vom Sedelsberger Jan Meyer zum Beispiel, besser bekannt als „Opa Jan“. Dort bringt er den Pöksen das Saterfriesische nahe. Gelegentlich rutscht ihm noch das Wort Saterländisch heraus, wenn er über seine Sprache redet. „Aber Saterländisch sollen wir ja nicht mehr sagen“, sagt der Pensionär. „Der Professor meint, das heißt Saterfriesisch.“ Und mit der saterfriesischen Bibel hat diese Benennung nun auch den Segen des Allerhöchsten. Thomas Gebel