My private university

Die berufliche Fortbildung für Erwachsene wird kaum von den Hochschulen getragen, weil diese damit finanziell überfordert sind. Denn bisher sind nicht allzu viele Akademiker bereit, nennenswerte Gebühren für universitäre Qualifizierungen zu zahlen

von TILMAN VON ROHDEN

Manche Erkenntnisse wirken schon deshalb banal, weil sie schon so oft wiederholt worden sind. Beispielsweise die Erkenntnis, dass Wissensgesellschaften nur nach dem Modell des lebenslangen Lernens funktionieren, weil ansonsten ihre Basis – das Wissen – auf Grund des Fortschritts in Technik und Wissenschaft über kurz oder lang wachsweich werden würde.

Weniger banal ist die Tatsache, dass der Staat im Bereich beruflicher Fortbildung für Erwachsene nur eine Chargenrolle spielt. 90 Prozent dieser Ausgaben kommen nach einer Schätzung der OECD aus privaten Quellen. Die Organisation spricht von einer „Tendenz in den Neunzigerjahren“ diese Kosten zu privatisieren, weil die staatlichen Finanzierungssysteme damit überfordert seien.

Folgt man einer Untersuchung der Freien Universität Berlin (FU), dann dürfte sich das Gerechtigkeitsempfinden kaum über die Privatisierung dieser Bildungskosten empören: Im MBA-Studiengang Technischer Vertrieb, der eine fundierte Ausbildung in Marketing vermitteln will, hat nach einer FU-Untersuchung etwa die Hälfte der Teilnehmer den beruflichen Aufstieg gemeistert. Damit verbunden waren in den Folgejahren Gehaltssteigerungen um stolze 43 Prozent.

Trotz seiner Gebühren in Höhe von 10.000 Euro ist der Studiengang ein beliebter Renner, den die FU seit zehn Jahren anbietet. „An Gewinne bei Weiterbildungen ist gar nicht zu denken, langfristig sind sie jedoch wünschbar“, sagt Rolf Busch, an der FU für Weiterbildung zuständig. Seine Kollegin an der Technischen Universtität Berlin (TU), Rosmarie Schwarz-Jaroz, glaubt dagegen nicht an diese Perspektive: „Gewinne sind illusorisch. Dafür gibt es zu viele Anbieter.“ Außerdem bezweifelt sie, dass die Weiterbildungswilligen nennenswerte Gebühren akzeptieren würden. Wie viel Geld die Anbieter von Hochschul-Weiterbildungen verlangen können, ist umstritten. Das in diesem Jahr erstmalig in Deutschland angebotene berufsbegleitende Weiterbildungsstudium Executive MBA in Business Engineering kostet knapp 40.000 Euro. Der Preis orientiert sich an den Usancen der staatlichen Universität St. Gallen, die das Studium in Kooperation mit dem Institute of Electronic Business (IEB), einem privaten An-Institut der Hochschule der Künste Berlin (HdK), durchführt. Für die 45 Plätze haben sich bisher nur 38 Interessenten gemeldet. „Wir hatten auf regeren Zuspruch gehofft“, gibt sich Heidi Loßmann vom IEB kleinlaut. Neben der geringen organisatorischen Vorlaufzeit „könnten auch die Kosten ein Problem“ sein. Obwohl in den meisten Fällen die Unternehmen, bei denen die Teilnehmer beschäftigt sind, zahlen würden und nicht der Kursant, so Loßmann.

Es scheint, als wären etablierte Akademiker bereit, den Preis für die meistenteils „billigen“ Angebote zu akzeptieren: denn sie müssen sich mit einem überaus mageren Angebot zufrieden geben. Die FU bietet gerade mal ein halbes Dutzend Studiengänge an, die Humboldt-Universität Berlin (HU) immerhin 15, zwei davon sind mit nennenswerten Kosten verbunden. Sie finden sich ebenfalls mit fragwürdigen Studienstrukturen ab, denn die meisten Weiterbildungen sind kaum für langjährig Berufstätige geeignet. Wer will schon für ein oder zwei Jahre aus dem Job scheiden, um ein Vollzeitstudium aufzunehmen? Damit verknüpft: Unternehmen dürften kaum bereit sein, sich unter diesen Bedingungen für ihre bildungswilligen Angestellten finanziell zu engagieren.

Weil die ökonomischen Anreize fehlen, machen die Universitäten „business as usual“. Sie werben kaum für ihre Angebote und bieten nur in Ausnahmefällen neue an. Von der Mehrheit der Professoren darf ebenfalls nur wenig erwartet werden, denn für sie bedeutet ein Engagement in der Weiterbildung nur zusätzliche Arbeit, die nicht bezahlt wird. Denn sie wird auf das professorale Lehrdeputat nicht angerechnet. Als Aufgabe mit (nicht nur finanzieller) Zukunft sehen die Berliner Universitäten die Weiterbildung offensichtlich nicht. Die TU verfügt noch nicht einmal über einen Sachbearbeiter, der die Aktivitäten an den verschiedenen Fachbereichen bündelt. Das Fazit: Mit solchen universitären Strukturen ist der Weg in die Wissensgesellschaft besonders steinig.