Der Jubeltanz fällt aus

Stephan Vuckovic, durch seine Silbermedaille in Sydney zum populärsten deutschen Triathleten aufgestiegen, fehlt am Sonntag bei der WM, weil ihn ein mysteriöser Virus außer Gefecht setzte

von FRANK KETTERER

Die lang gezogene Zielgerade vor der großen Haupttribüne wäre eine wirklich prima Bühne gewesen für Stephan Vuckovic, den Triathleten. Hüpfen und tanzen hätte der Mann mit dem kahlen Schädel da wieder können – und aller Welt zeigen, wie ausgelassen er sich zu freuen vermag über sportlichen Erfolg. So hatte er es vor nicht ganz einem Jahr in Sydney getan, als er völlig überraschend und außer sich vor Glück Zweiter geworden war im Triathlon bei den Olympischen Spielen; so hatte er es auch für diesen Sonntag vorgesehen, wenn im malerischen Hawrelak Park, dem grünen Herzen Edmontons, die neuen Weltmeister ermittelt werden über 1,5 km Schwimmen, 40 km Radfahren und 10 km Laufen.

Stephan Vuckovic wird nicht hüpfen und tanzen auf der Zielgeraden am Sonntag, er wird noch nicht einmal am Start stehen bei der WM in Kanada. Die Ärzte haben ihm davon abgeraten, das heißt: eigentlich haben sie es ihm verboten. Letztendlich muss der Mann aus Reutlingen schon froh sein darüber, dass er seinen Sport, dass er Triathlon überhaupt noch einmal ausüben kann, so schlimm hat es um ihn gestanden. „Ein paar Stunden später ins Krankenhaus, und ich weiß nicht, wie alles gekommen wäre“, sagt der 29-Jährige. Ziemlich wahrscheinlich, dass er dann bleibende Schäden zurückbehalten und nie mehr Leistungssport hätte treiben können; nicht auszuschließen, dass es gar noch schlimmer hätte ausgehen können.

So jedenfalls haben es die Ärzte gesagt zu Stephan Vuckovic, als es ihm wieder besser ging, ein paar Tage, nachdem er direkt von der Europameisterschaft im tschechischen Karlsbad eingeliefert worden war ins Krankenhaus, weil Nieren und Leber in der Nacht plötzlich ihren Dienst versagt hatten. Zehn Tage musste er dort, in Bayreuth, liegen, zwei davon auf der Intensivstation, hochgepäppelt mit allerlei Infusionen, was aber auch nicht verhindern konnte, dass er alles in allem gut zehn Kilo Körpergewicht verlor. Noch heute, vier Wochen später, fühlt sich Stephan Vuckovic ungewöhnlich matt und schwach; wenn er ein paar Treppen steigt, spürt er deutlich, wie sein Puls nach oben schnellt.

Was für ein übler Virus es war, der den Olympiazweiten so hinterhältig niederstreckte, konnten die Ärzte bis heute und trotz allerlei Tests nicht ausfindig machen. Gesichert, so der Reutlinger, sei lediglich, wie der Übeltäter in seinen Körper hatte schlüpfen können: Vuckovic war bei der EM mit einem offenen Lippen-Herpes an den Start gegangen. „Das“, so haben es ihm die Mediziner erklärt, „muss für den Virus ein offenes Tor direkt in die Blutbahn gewesen sein.“ Beim Schwimmtraining am Tag vor dem Wettkampf ist es dann wohl passiert, bereits in der Qualifikation überkamen ihn Magenkrämpfe, die sich in der Nacht in Schüttelfrost und hohes Fieber auswuchsen, so sehr, dass nur noch der Weg ins Krankenhaus blieb.

Die WM in Edmonton muss also ohne den Silbermedaillengewinner von Sydney stattfinden, im Prinzip ist es die ganze nacholympische Saison, die Vuckovic als missraten abhaken kann. Im Februar hatte ihn eine Entzündung am Beinbeuger außer Gefecht gesetzt, weil er es mit dem Training etwas übertrieben hatte, bei den deutschen Meisterschaften in Frankfurt musste er sich geschlagen geben, weil ihm beim Laufen ein Steinchen die Fußsohle schmerzhaft aufgeritzt hatte, nun kämpft er immer noch mit den Nachwirkungen des Virus. Dabei wollte der Reutlinger doch eigentlich seine in Sydney gewonnene und für einen Triathleten allemal ungewöhnliche Popularität durch weitere sportliche Erfolge in diesem Jahr noch steigern. „Klar ist das ein Seuchenjahr für mich“, muss er nun zugeben – und aufpassen, dass sein Stern nicht ebenso schnell am Firmament des öffentlichen Interesses verglüht, wie er bei Olympia aufgegangen ist.

Bisher ist das nicht passiert, auch die Sponsoren halten Vuckovic bislang die Treue, noch. Dass das nicht ewig so sein wird, ist ihm durchaus bewusst, all zu viel gekümmert hat ihn das in den zurückliegenden Wochen aber kaum, es ging da ja auch um mehr. „Mir war ganz allein wichtig, dass ich wieder gesund werde“, sagt Vuckovic, der in den Tagen im Krankenhaus viel Zeit hatte, über sich, seine Zukunft und seinen Sport nachzudenken – und die eine oder andere Entscheidung zu treffen. Zum Beispiel die, dass er nicht mehr länger in Magdeburg leben und trainieren möchte, wohin er sich vor knapp einem Jahr aufgemacht hatte, sondern wieder in Reutlingen, zu Hause eben, bei Familie und Kumpels. „Das Training in Magdeburg ist super“, sagt Vuckovic, „aber Training ist nicht alles im Leben.“ Und selbst eine Trennung von Trainer Thomas Springstein, der „Vucko“ schon für Sydney so schnelle Beine gemacht hatte, würde der 29-Jährige dafür in Kauf nehmen, auch wenn er hofft, dass es nicht so weit kommen wird.

Stephan Vuckovic hat sich mittlerweile mit seiner Situation arrangiert und mit dem Seuchenjahr. Vielleicht, findet er mittlerweile gar, sei es ja ganz gut, dass sein Körper nach zwölf Jahren Triathlon-Schinderei auf diese Weise endlich einmal ausreichend Zeit bekommt, um ausgiebig regenerieren zu können. Vielleicht kannn er ja dann im nächsten Jahr wieder hüpfen und tanzen auf irgendeiner Zielgeraden.