patrik schwarz über Schröder
: Eigenlob als Konjunkturspritze

Des Kanzlers Rezept: Für je toller wir uns halten, desto schneller wächst die Wirtschaft

Ehe wir so richtig anfangen, hier noch schnell der diesjährige Gewinner des Marion-Gräfin-Dönhoff-Preises für aufmerksames Gegenlesen: Der Preis geht 2001 an taz-Leser Bernd H. aus M. Er hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass es „Asphyxie“ heißen muss und nicht „Aphyxie“, wie zuletzt an dieser Stelle behauptet. Durch den Gebrauch eines medizinischen Fachbegriffs, wo es auch ein so anschauliches Wort wie Luftmangel getan hätte, hatten wir versucht, uns für höhere Weihen bei der Zeit zu empfehlen – dank Bernd H. wissen wir jetzt, warum noch kein Angebot aus Hamburg vorliegt.

Zu Erfreulicherem. Gerhard Schröder und Angela Merkel sind super. Vor allem im Doppelpack. Dies zeigte sich bei der obligatorischen Pressekonferenz, mit der sich der Regierungschef und die Oppositionsführerin in die Sommerpause verabschiedeten. Natürlich traten sie hintereinander auf und nicht gemeinsam, was dem Eindruck keinen Abbruch tat. Die beiden passen toll zusammen: Angela Merkel mochte nicht in die Vergangenheit blicken, Schröder nicht in die Zukunft. Während die eine den Schatten der Spendenaffäre zu entkommen suchte, zog der andere schon mal den Kopf ein vor den Gewitterwolken am Konjunkturhimmel. So guckte Schröder nur nach hinten, Merkel nur nach vorne. Zusammen ergeben sie so was wie den Januskopf der Berliner Republik. Im antiken Rom hätte man Münzen mit ihrem Antlitz verziert.

Gerhard Schröder befindet sich inzwischen im Sommerurlaub, aber, so lässt das Bundespresseamt wissen, auch da hat er viel zu tun: G-8-Gipfel vorbereiten, auf Makedonien aufpassen, Ausreden ausdenken. Letzteres ist besonders dringlich, seit es mit Konjunktur und Arbeitslosenzahlen nicht so läuft, wie versprochen vom Kanzler des Aufschwungs (gab’s da nicht schon mal einen?). Tony Blair plagen ähnliche Probleme, wie eine Karikatur im Guardian zeigt. In der Hand die jüngsten Berichte zur wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich, im Blick die nächsten Wahlen, sagt der Schatzkanzler sorgenvoll zu Tony Blair: „Wenn wir’s schon nicht hinkriegen, den Wohlstand umzuverteilen, sollten wir wenigstens versuchen, die Schuld daran umzuverteilen.“ Schröder hat seinen Schuldigen bereits gefunden: die Weltwirtschaft. Weil sie es nicht bringt, stottert auch bei uns die Konjunktur. Aus Schröders Mund ist die Erklärung etwas erstaunlich, war doch der letzte Sozialdemokrat von Rang, der in der Weltwirtschaft ein Übel sah, Oskar Lafontaine.

Der hat sich bekanntlich mit Schröder nicht besonders verstanden, wohl weil der Kanzler die Ansichten seines damaligen Finanzministers ein wenig „old school“ fand. Dies galt für keinen Bereich mehr als für Lafontaines Hoffnung, die globalen Finanzmärkte ein wenig zu bezähmen. Als „gefährlichsten Mann Europas“ bezeichnete das britische Boulevardblatt Sun ihn dafür – und Lafontaines Chef sah es nicht viel anders.

Jetzt kann Schröder für sich beanspruchen, die Rolle der Weltwirtschaft für die deutsche Politik neu definiert zu haben: Wer die Weltwirtschaft beeinflussen will, ist ein Spinner, wer sie als Ausrede benutzt, clever. Wer erst einmal seinen Ruf als Machtmensch etabliert hat, dem wird selbst der glückliche Zufall als Ergebnis eigener Strategie angerechnet. Jetzt muss Schröder eine Abwärtsspirale fürchten – und sucht nach Auswegen. Als Bill Clinton noch Präsident und Blair wie Schröder weitgehend sorgenfrei waren, lud der Bundeskanzler seine Mitte-links-Spezis aus aller Welt nach Berlin. Es wurde eine Art Kindergeburtstag für die Jungs aus der Babyboomer-Generation. Modernes Regieren im 21. Jahrhundert hieß die Konferenz, deren größter Effekt war, dass sich nie beweisen ließ, dass sie keinen Effekt hatte – nur eine Nebenwirkung: Wolfgang Nowak hat sie gerettet, den Leiter der Grundsatzabteilung im Kanzleramt und Organisator der Konferenz. Nachdem sein Mentor Bodo Hombach gefeuert worden war, stand es schlecht um ihn. Weil dem Kanzler aber der Kindergeburtstag so gut gefiel, sitzt der Beamte noch heute auf seinem Stuhl. Erst seit Schröder mit der Konjunktur zu kämpfen hat, schält sich so was wie ein Kernprojekt des Modernen Regierens im 21. Jahrhundert heraus: Eigenlob als Wirtschaftsfaktor. Für je toller wir uns halten, desto schneller wächst die Wirtschaft.

Schon die Sommerpressekonferenz warf die Frage auf, wofür sich der Steuerzahler eigentlich Regierungssprecher Uwe Karsten Heye leistet, wenn Schröder selbst nichts lieber tut, als sich zu loben und zu danken. Eine fortgeschrittene Version des Modernen Regierens bot der Kanzler nach der Entscheidung von BMW, sein neues Werk in Leipzig zu errichten.

„Ich danke dem Vorstandsvorsitzenden der BMW Group, Prof. Joachim Milberg, für die Wahl eines ostdeutschen Standortes“, verkündete der Kanzler. Begründung: Das sei „ein Vertrauensbeweis für die Bundesregierung und ihre Politik“, „eine Bestätigung für den von uns vollzogenen Strategiewechsel beim Aufbau Ost“. Der Kanzler verfeinert das Eigenlob zum Billardspiel – einmal um die Ecke geschossen, landen Schröders Komplimente wieder, wo er sie haben will: bei Gerhard Schröder.

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