Ökologe verurteilt

Knast und Überfall – Umweltschützer in Weißrussland sind Opfer von Verfolgung. Behörden stört Atomkritik

MINSK taz ■ Umweltschützer in Weißrussland leben gefährlich. So wurde kürzlich der Direktor des medizinischen Instituts von Gomel, Professor Juri Bandaschewski, zu acht Jahren Haft verurteilt. Das Mitglied der Weißrussischen Akademie der medizinischen Wissenschaften und Träger mehrerer internationaler Auszeichnungen, unter anderem des Albert-Schweitzer-Preises hatte sich intensiv um die medizinsiche Betreuung von Tschernobyl-Opfern gekümmert. Bandaschewki wurde wegen Bestechlichkeit verurteilt, obwohl Zeugen vor Gericht darauf hingewiesen hatten, dass belastende Aussagen unter Zwang zustande gekommen seien.

Nur zwei Tage nach Bandaschewskis Verurteilung wurde der stellvertretende Direktor des nichtstaatlichen Instituts für Strahlensicherheit (Belrad), Alexander Dowoino, von Unbekannten krankenhausreif geschlagen. In diesem Institut hatte Bandaschewski vor seiner Verhaftung gearbeitet. Bisher gibt es keine Hinweise auf die Täter. Doch Lew Fjedorow von der kritischen „Gesellschaft für chemische Sicherheit“ ist sicher, dass die Behörden dahinterstecken.

In einer Erklärung wenden sich jetzt Swjatoslaw Sabelin, Vorsitzender der größten russischen Umweltorganisation „Sozial-Ökologische Union“, Lew Fedorow und Alexej Jablokow an die Öffentlichkeit. Jablokow ist als langjähriger Umweltberater von Präsident Jelzin einer der renommiertesten Umweltschützer Russlands. Sie schlagen angesichts der massiven Einschüchterung der weißrussischen Behörden gegenüber Wissenschaftlern Alarm und sehen die unabhängige Arbeit von Instituten wie Belrad gefährdet. Mit eigener Messtechnik untersucht Belrad die radioaktive Belastung der strahlenbelasteten Gebiete. Die Belrad-Wissenschaftler hatten immer wieder nachgewiesen, dass die tatsächliche Strahlenbelastung um ein Vielfaches höher liege als offiziell angegeben. Gleichzeitig warfen die unabhängigen Wissenschaftler den Behörden vor, nicht genügend zum Schutz der Kinder aus diesen Regionen zu unternehmen.

Außerdem würden die wenigen Mittel, die für strahlengeschädigte Kinder vorgesehen seien, häufig in dunklen Kanälen der Korruption verschwinden.

BERNHARD CLASEN