Unis für Eliten

Soziale Selektion bei Studenten: Hochschulen sind für Migranten und Unterschichtkinder kaum erreichbar

BERLIN taz ■ Es war wie ein Triumph. Plötzlich standen die Studentenforscher und die Repräsentanten des Deutschen Studentenwerks im Mittelpunkt. Sie, die jahrelang in leeren Sälen gewarnt hatten, dass sich die Unis in Karriereagenturen für Reiche und Gebildete wandelten, fanden endlich Gehör. Das Gartenhaus des Bildungsministeriums war voll, als das Studentenwerk gestern seinen neuesten „Bericht zur sozialen und wirtschaftlichen Lage der Studierenden in Deutschland“ vorstellte. Aber es war ein trauriger Triumph.

Der Durchschnittsstudent, den die Forscher bei der Befragung von 1,5 Millionen Studenten im Jahr 2000 ermittelten, sieht nämlich nur auf den ersten Blick ganz nett aus: Der „Normalstudent“ ist immer öfter eine Sie, ist knapp 25, lebt in fester Beziehung. Das Problem der deutschen Hochschulen aber ist, dass Studierende überwiegend wohlhabend sind, aus Akademikerhäusern und selten aus Migrantenfamilien kommen. Anders gesagt: Der Nachwuchs aus den Problemgruppen – bildungsferne, arme Schichten und Bildungsinländer – findet immer seltener den Weg an die Unis.

Die Zahlen sind dramatisch. Seit 1982 ist der Anteil aus der so genannten „niedrigen sozialen Herkunftsgruppe“ von 23 auf 13 Prozent geschrumpft. Diese Situation hat sich mittlerweile verfestigt. Studentenforscher ermitteln heute: Von 100 der 19–24-Jährigen haben 20 Väter mit Hochschulabschluss – und 16 aus dieser Gruppe nehmen ein Studium auf; 40 von 100 haben Väter mit Hauptschulabschluss – aber ganze 5 von ihnen beginnen zu studieren. Der Präsident des Studentenwerks, Hans-Dieter Rinkens, sagte: „In Deutschland findet auf dem Weg ins Studium eine soziale Selektion statt.“ Rinkens machte dafür vor allem die früheren Bildungsminister der Regierung Kohl verantwortlich, kritisierte aber auch die Politik der amtierenden Bildungsministerin.

Edelgard Bulmahn (SPD) setzt große Hoffnungen darauf, dass ihre jüngste Novelle der Ausbildungsförderung (Bafög) mehr Chancengleichheit schaffen könne. Rinkens hielt kühl dagegen, dass die laufende Bafög-Kampagne selbst bei vollem Erfolg nur zu einer Gesamtzahl von 300.000 staatlich geförderten Studenten führe. Noch 1995, als Kohls Anti-Unterschicht-Programm bereits im Gange war, gab es aber noch deutlich über 300.000 Bafög-Empfänger.

So blieb statt eines Triumphs nur eine gemeinsame Erkenntnis. Es hat 20 Jahre Sozialforschung unter Studenten gebraucht, um herauszufinden: Die Kinder von Migranten und Unterschichtfamilien streben nicht von allein auf die Hochschulen – man muss intensiv um sie werben. CHRISTIAN FÜLLER