Berg und Tal

1903 rufen Géo Lefèvre und Henri Desgrange die Tour de France ins Leben. Die Journalisten möchten die Auflage ihrer Gazette L’Auto steigern, aus der später Frankreichs größte Sportzeitung L’Équipe hervorgeht. Sechzig Fahrer gehen schließlich in Villeneuve-St. Georges bei Paris an den Start. Die Sportler finden sich aber auf der mangelhaft ausgeschilderten Strecke nicht zurecht, einige nehmen lieber gleich den Zug nach Lyon. Maurice Garin fährt als Erster durchs Ziel, zwei Stunden und 49 Minuten vor seinen Konkurrenten.

Legende ist heute auch der Franzose Jacques Anquetil, der das Gelbe Trikot 1961 auf zwanzig von 21 Etappen durchschwitzt. Er gewinnt die Tour fünfmal, genau wie Landsmann Bernard Hinault und der Belgier Eddi Merckx. Fünfmal hintereinander aber schafft es nur der Spanier Miguel Induráin, zuletzt 1995. Zwei Jahre später gewinnt Jan Ullrich als erster Deutscher die Tour. Am häufigsten haben (natürlich) die Franzosen die „Große Schleife“ gewonnen, insgesamt 36 Mal. Der letzte Sieg liegt allerdings schon sechzehn Jahre zurück.

Eher exotischer Berühmtheit erfreut sich der Algerier Abdelkader Zaaf. Bei der Rundfahrt 1950 flößt er sich bei 45 Grad zwei Flaschen Weißwein ein und fährt nach kurzem Schlaf weiter – zurück zum Startpunkt.

Seit zehn Jahren findet auch die „Grande Boucle féminine“ statt. Die diesjährige Siegerin der 1.500 Kilometer langen Frauentour, die am 5. August im baskischen Bilbao beginnt und zwei Wochen später in Paris endet, wird aber wohl wieder nur eine Randnotiz bleiben. Das große Geld sacken weiter die Männer ein: Allein Lance Armstrong, US-Sieger der Tour 2000, hat 335.000 Euro eingefahren. Insgesamt erhielten die zwanzig teilnehmenden Teams rund 1,8 Millionen Euro.

Diese Aussicht treibt gerade wieder 180 Fahrer auf die 3.462 Kilometer lange Strecke, bis auf die Gipfel der Pyrenäen, die seit 1910 zum Tourprogramm gehören. Die Route hat sich seit ihrem Bestehen um gut tausend Kilometer verlängert und führt über immer neue Hindernisse. Höchster Pass ist bislang der Col de la Bonnette mit 2.802 Metern.

Nicht jeder Sportler will sich quälen: Schon im 19. Jahrhundert werfen Radler Mittel ein, die heute als Dopingpräparate gelten würden. Erst Ende der Fünfzigerjahre fordern Tourärzte Kontrollen. 1967 bricht der Engländer Tom Simpson beim Aufstieg zum Mount Ventoux tot zusammen. In seiner Trikottasche stecken Amphetamine.

1998 kommt es zum größten Dopingskandal in der Geschichte der Tour: Polizei und medizinische Untersuchungsbehörden ermitteln gegen den Franzosen Richard Virenque und sein Team Festina wegen Einnahme und Handels mit dem Hormonpräparat EPO. Neunzehn Tourteilnehmer kommen vorläufig in Untersuchungshaft. Das Festina-Team wird von der Tour ausgeschlossen, das Radrennen kurzfristig unterbrochen. Neun Sportbetreuer erhalten Bewährungs- und Geldstrafen. Da das französische Dopinggesetz nur den Handel, nicht aber den Konsum von Dopingmitteln unter Strafe stellt, gehen Virenque und seine Mannschaftskollegen straffrei aus. Sie werden vom Schweizer Radsportverband, bei dem sie gemeldet sind, mehrere Monate gesperrt.

In diesem Jahr sind sechzig Prozent der Teilnehmer nach eigenen Angaben Asthmatiker. Behandelt werden sie unter anderem mit so genannten Beta2-Mimetika. Einige sind nicht mal meldepflichtig. Und das, obwohl vermutet wird, dass sie bei hoher Dosis den Einweißabbau im Körper hemmen und so Muskelmasse sprießen lassen. YVONNE GLOBERT