Sieben Geißlein im Wohnwagen

■ Im Freizeitpark Osttrittrum kosten leuchtende Kinderaugen nur zehn Mark plus Tierfutter. Erwachsene erfreuen sich an skurriler Museumspädagogik und verstörenden Märchenfiguren.

Die rot-schwarzen Kamerun Schafe im Wild-und Freizeitpark Ostrittrum sind so laut, dass sie jedes Kindergequengel nach mehr Eis und Tierfutter und Pommes lässig übertönen könnten. Kinder sind aber an diesem verregneten Freitag Nachmittag Mangelware und keine Kinder bedeutet für die Schafe: kein leckeres Tierfutter aus kleinen patschigen Kinderhänden. Also blöken die vierbeinigen Rasenmäher in einer Lautstärke, dass die Känguruhs im Nachbargehege aussehen, als möchten sie ihren Kopf in den Beutel stecken.

„Eigentlich sollen die Schafe bei den Nandus, Emus und Straußen das Gras kurz halten“, erklärt der Inhaber des Familienbetriebs in der Wildeshauser Geest, Helmut Riesmeier. Eigentlich sei der Park auch gut besucht, was selbst bei kinderfeindlichem Schmuddelwetter noch zu erahnen ist. Es gibt eine Menge zu entdecken und zu tun, aber auf eine ganz andere Art als in den Freizeitparks der Superlative.

„Da lernen die Kinder Bescheidenheit“, war die zweifelhafte Empfehlung einer begeisterten Kollegin. Das heißt: Keine mörderischen Menschen-Schleudern, sondern „Luna Loop“, „Nautik Jet“ und „Komet“. Gelb, rot und blau gestrichen, ohne großes Lichtergedöns und halbnackte Frauen wirken die „Freizeittechnik“-Fahrgeräte für jeweils ein bis zwei Personen, als wären sie aus den 50er Jahren in die Gegenwart gebeamt worden. Der Nautik Jet entpuppt sich als kleine Wildwasserbahn, die sich aus geschätzten vier Metern Höhe in eine Pfütze stürzt. Der Komet ist eine Riesen-Schaukel. Luna Loop gibt schon mehr Rätsel auf. Wenn man die richtigen Knöpfe drückt, soll sich eine kleine Gondel auf einer Kreisbahn über Kopf drehen.

Auf sensationsverwöhnte Freizeitparks-Freaks müssen die Dinger einen lächerlichen Eindruck machen. „Aber was sollen kleine Kinder im Heidepark? Die können ja in den wenigsten Geräten mitfahren!“, verteidigt Helmut Riesmeier seine kindsgerechte Low-Fi-Ausstattung. Weil die im Unterhalt viel billiger ist als Loopingbahn und andere Mega-Maschinen, zahlen Besucher auch nur ein Viertel von den gepfefferten Eintrittspreisen des Heideparks mit seinen 41 Mark für groß und klein. Das Konzept geht auf: „Bei rund 100.000 Besuchern im Jahr rentiert sich das Unternehmen mittlerweile, Zuschüsse gibt es nicht“, sagt Riesmeier. Der relativ günstige Freizeitspaß ziehe vor allem junge Familien und Großeltern mit ihren Enkeln an. Auf jugendliche Kundschaft – „Rabauken“ – könne er gut verzichten, weil danach großflächig aufgeräumt werden müsse.

Teenagern fehlt wahrscheinlich auch der Sinn für die eher stillen Freuden des Parks. Tretboote, Seilbahn, Kletterburg, Trampolins und Hüpfburgen. Für Rolli-Fahrer gibt es ein kleines Karrussel neben der Seeterasse unter Bäumen. Auch die Tiere wie Hirsche, Schweine und Lamas sind eher unspektakulär, mit Ausnahme der vier Berber Affen mit einem winzig kleinen Baby-Äffchen, geboren dieses Jahr am Tag der Arbeit. Dafür sind die meisten der Tiere spektakulär zahm. Sogar die gewöhnlich eher scheuen Hirsche pressen ihre feuchten Nasen durch den Zaun. „Zahm“ ist allerdings nicht die richtige Bezeichnung für die Meute gefräßiger Ziegen, die sich im Streichelzoo um die Teststreichlerin drängeln. Sie sehen aus, als würden sie für eine Handvoll Tierfutter über Kinderleichen gehen. Der Eindruck täuscht, denn auch die über 80-Jährige Mutter Riesmeiers wird nicht gefressen, als sie sich zum Füttern ins Gehege wagt.

„Ziegen und Schafe waren immer da“, erklärt Riesmeier. Von 1950 bis 1974 gehörten sie schon einmal zu einem kleinen Freizeitpark mit Märchenwald und Heimatmuseum. Nach einem vernichtenden Sturm stand das Gelände zum Verkauf. Der heute 56-jährige Westfale Riesmeier erwarb den Park 1976, um sich dort einen Altesruhesitz einzurichten. Hirsche wollte er sehen nach seiner Laufbahn als Diskothekenbesitzer. Aber dann war ihm das Wetter zu mies und der Altersruhesitz wurde nach Spanien verlegt. Vor sechs Jahren kaufte Riesmeier Wildtiere anderer Kontinente hinzu und verwandelte den privaten Wildtierzoo in einen öffentlichen Freizeitpark.

Erhalten aus früheren Zeiten sind noch der Märchenwald und das Heimatmuseum. Letzteres definiert Museumspädagogik ganz neu. Keine langwierigen Erklärungen, die kein Kind versteht, sondern: Ein Haufen ausgestellter Geräte und Gerümpel aus verschiedenen Jahrhunderten, ab und an eine Beschilderung, ab und an eine Ahnung, wo sich die Zusammenhänge zwischen einzelnen Exponaten verbergen. „Landwirtschaft im Wandel“ ist ein Thema: verschiedene landwirtschaftliche Maschinen und Werkzeuge, Trecker neben Gieskanne. Das erzieht im Sinne der eingangs erwähnten begeisterten Kollegin nicht zu Bescheidenheit, sondern regt die Phantasie an und lässt Kinder selber denken. Was hat zum Beispiel die Metzgerpuppe mit der aufgeschnittenen Schweineplastik neben den Treckern und Dreschgeräten zu suchen? Und das Kaffeetafel-Zubehör? Was macht man mit einer Schleppmaschine?

Ausgesprochen phantasievoll und anregend sind zuguterletzt auch die Figuren im Märchenwald. Sterntaler schürzt ihren Rock in unzüchtige Höhen und erinnert dabei mit ihren schwarzumrandeten Augen, den wilden Haaren und dem irren Blick an eine abgehalfterte alkoholkranke Hafenhure. Rotkäppchen wird von einem dackelhohem Wolf begleitet und macht den Eindruck, bereits die letzten vier Wochen im Wald verbracht zu haben. Viele der Figuren sehen so furchteinflößend aus, dass die Gebrüder Grimm ihre helle Freude gehabt hätten. Dafür sind sie liebevoll ausgestattet und zurecht gemacht. Goldmarie trägt fellbezogene Fäustlinge und ein allerliebstes blaues Ballkostüm, freilich witterungsbedingt etwas angegriffen. Und die sieben Geißlein wohnen in einem holzverkleideten Wohnwagen inmitten der grauenvollsten Ansammlung von Nippes, die man sich vorstellen kann. Hereinspaziert mit Kind, Kegel, Hund und Grillbesteck! Und Geld für Tierfutter, damit die Schafe die Klappe halten. Eiken Bruhn Die Anreise zum Wild- und Freizeitpark Ostrittrum ist nicht ganz einfach. Die Gemeinde Dötlingen weigere sich, die Anreise durch Beschilderung zu vereinfachen, sagt Riesmeier. Busse gibt es auch keine. Also entweder Autofahren über Delmenhorst oder Wildeshausen Richtung Neerstedt nach Ostrittrum. Oder mit der Bahn bis Wildeshausen und dann circa 12 Kilometer mit dem Rad durch die liebreizende Landschaft. Preise: Erwachsene 12 Mark, Kinder (ab drei) zehn Mark, Rollstuhlfahrer sechs Mark. Täglich geöffnet von neun Uhr morgens bis Sonnenuntergang. Weitere Informationen: 04487 7166 oder www.freizeitpark-ostrittrum.de.