Ideologiefreie Techno-Popkomm

Mit dem Kongress „Musik und Maschine“ versuchen Berliner Clubbetreiber und DJs zur Love Parade den elektronischen Spirit zu ergründen. Dabei war auch im Haus der Kulturen der Welt mehr von Business als von gemeinschaftlichen Projekten die Rede

von ANDREAS HARTMANN

Techno ist: elektronisch erzeugte repetitive Tanzmusik. So einfach war es vielleicht einmal. Wie der ganze Trubel anlässlich der Love Parade wieder deutlich macht, ist Techno inzwischen vor allem aber auch das: eine Möglichkeit, Geld bis sehr viel Geld zu verdienen. Techno hat seine Unschuld verloren, das ist keine neue Erkenntnis. Techno ist inzwischen alles andere als Kontrapunkt zum ausverkauften Rock und ist ein nicht unerheblicher Marktfaktor mit immer weniger schlechtem Gewissen. Und was ist die Aufgabe eines DJs? Die Leute zu unterhalten und möglichst viel Geld zu verdienen, so ungefähr lautet die Losung.

Um beides in perfekte Harmonie zueinander zu bringen, braucht man ein Forum, eine Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch. So zumindest hat es sich Dimitri Hegemann, Tresor-Vater und Betreiber einiger lukrativer Amüsementtempel in Berlin, gemeinsam mit DJ-Legende Jeff Mills ausgedacht. DJs sollen DJs helfen und Managementprofis zusätzliche Tipps geben: Schnell war der Techno-Kongress „Musik und Maschine“ initiiert, der letztes Jahr erstmals in Berlin stattfand. Wie dieses Jahr auch fand das Stelldichein der Plattendreher in der Woche vor der Love Parade statt, weil da eh alle DJs in Berlin sind.

Musik ist Leistung

Beim zweiten Mal gestaltete sich der Kongress schon professioneller. Ein Haufen Sponsoren konnten gefunden werden, und nächstes Jahr soll dann alles so richtig groß, zu einer Art Leistungsschau des internationalen Techno-Betriebs werden. Ein „Electronic-Music Fair“ soll in Berlin aus dem Boden gestampft und in das Haus der Kulturen der Welt gelegt werden, eine Art Techno-Popkomm.

An prominenten Gästen und Gesprächsrunden-Leitern mangelte es aber auch schon in diesem Jahr nicht. Von Gudrun Gut bis Mute-Chef Daniel Miller wurden einige markante Musikbusiness-Persönlichkeiten aufgefahren. Von diesen konnte man sich dann in den einzelnen Panels zu Fragen beraten lassen: wie man beispielsweise erfolgreich einen Dance-Club aufzieht, wie man Mainstream-untaugliche Musik trotzdem ins Radio bekommt oder wie man als Labelbetreiber seine Künstler zu DJ-Stars hochpäppelt. Ästhetische oder gar ideologische Fragen wurden dabei konsequent ausgeblendet. Als jemand auf die eher rhetorische Frage von Dimitri Hegemann, ob Berlin auch der richtige Ort für eine Techno-Messe sei, anmerkte, dass diese Frage angesichts der desolaten Lage in Berlin, wo jüngst die Fuck Parade ausgebremst wurde und sämtliche Clubs der Stadt in ihrer Existenz bedroht sind, durchaus berechtigt sei, wollte niemand näher darauf eingehen. Augen zu und durch. Noch gibt es ja die Love Parade und die großen Clubs.

Wie es dem wirklichen Underground bei den immer geringeren Entfaltungsmöglichkeiten geht, sollte hier lieber nicht das Thema sein. „Musik und Maschine“, die Messe, das zeichnete sich bereits ab, wird in diesem Sinne wohl eher das Äquivalent zur Love als zur Fuck Parade sein. Hier soll sich eher das DJ-Establishment zu Hause fühlen als diejenigen, die sich für Verkaufszahlen von Platten und DJ-Gagen gar nicht so sehr interessieren. Es war also auch überhaupt kein Problem, dass ein Vertreter des Hauptsponsors von „Musik und Maschine“ über die Vorzüge seiner Firma in gleich zwei Panels loslegen durfte; so läuft’s eben, das Business.

Als Höhepunkt der ganzen Veranstaltung wurde dann „Finalscratch“ präsentiert, eine Software, die vielleicht das ganze DJ-Treiben umkrempeln könnte. Die Software erlaubt es, als MP3 gespeicherte Tracks vom Laptop auf ganz normales Vinyl zu übertragen, das mit herkömmlichen Plattenspielern nach allen Regeln der DJ-Kunst bearbeitet werden kann. Die DJ-Culture, die das Vinyl vor dem Tod bewahrt hat, könnte die schwarzen Scheiben durch diese Software endgültig zu Grabe tragen.

Preis für Peel

Zum Schluss gab es noch die Awards – kein Kongress, keine Messe ohne richtige Awards. John Peel wurde für sein Lebenswerk geehrt, DJ Hell darf sich bester DJ nennen, und die Gewinner des Abends mit Siegen in gleich drei Kategorien waren Technasia, die selbst kaum jemand ihrer Techno-Kollegen kannte. Ansonsten wurde beim Award-Buffet natürlich noch eifrig über die Love Parade getuschelt. Vielfach mit Häme, doch die meisten wussten natürlich: Wenn Planetcom seine Drohung umsetzt, die Love Parade nicht mehr in Berlin stattfinden zu lassen, wird es „Musik und Maschine“ um einiges schwerer fallen, die internationale DJ-Prominenz im Juli 2002 zum Hock unter Kollegen nach Berlin zu locken.