„Die größte Politnutte“

Die Christdemokraten setzen im Wahlkampf auf den zwanglosen Zwang des besseren Arguments. Nur dem CDU-Generalsekretär Ingo Schmitt muss der Mund noch mit Seife ausgespült werden

von ANDREAS SPANNBAUER

Höflichkeit ist eine Zier, doch es geht auch ohne ihr. (deutsches Sprichwort)

Die CDU mobilisiert derzeit ihre geballte Sachkompetenz, um sich gegenüber dem rot-grünen Übergangssenat zu profilieren. Verkörpert wurde diese Sachkompetenz gestern durch Generalsekretär Ingo Schmitt, der eine Vierwochenbilanz des rot-grünen Senats aus Sicht der CDU zog. Als besonders sachkompetent erwies sich General Schmitt dann bezüglich der Person von SPD-Schulsenator Klaus Böger. Ganz im Sinne des wenige Minuten zuvor versprochenen „harten Wahlkampfs mit Sachargumenten“ brachte Schmitt folgendes Argument vor: „Klaus Böger ist die größte Politnutte, die ich kenne. Sein Gehalt B11 ist ihm wichtiger als alles andere. Wer sein Rückgrat so verbiegt, der hat den Anspruch, in einer Demokratie politisch zu arbeiten, verwirkt.“

Obwohl Böger ein langjähriger Verfechter der großen Koalition gewesen sei, habe er sich nicht gegen die Abwahl des CDU/SPD-Senats gestellt, um sein Senatorenamt zu retten. Einen Widerspruch zu der Ankündigung, einen sachlichen Wahlkampf zu führen, wollte Schmitt in seiner Äußerung nicht erkennen. „Man muss Dinge deutlich benennen, wo Entwicklungen so nicht akzeptabel sind.“

Dies tat wenig später auch der CDU-Spitzenkandidat Frank Steffel. Er bezeichnete die Äußerungen seines Generals als „inakzeptabel“. Steffel, der kürzlich noch auf den „deformierten Charakter“ des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit hingewiesen hatte, lehnte persönliche Angriffe als Mittel der politischen Auseinandersetzung „aus tiefer Überzeugung“ ab.

Die Sozialdemokraten gaben sich selbstverständlich empört über die CDU-Attacken. Der SPD-Landesvorsitzende Peter Strieder bezeichnete die Wortwahl Schmitts als „unverzeihliche Entgleisung“, mit der die „von vielen erwartete Schlammschlacht der CDU“ begonnen habe. SPD-Fraktionschef Michael Müller rief die CDU auf, Schmitt von seiner Funktion zu entbinden. „Äußerungen dieser zweifelhaften Qualität waren bisher den Stammtischparolen rechtsradikaler Splittergruppen vorbehalten.“ Senatssprecher Helmut Lölhöffel wies darauf hin, dass „niveaulose Diffamierungen“ eines geachteten Senatsmitglieds auch in Wahlkampfzeiten zu unterlassen seien.

Böger selbst wollte sich zu den Angriffen gar nicht erst äußern. In der Schulverwaltung wurde Schmitts „merkwürdige Entgleisung“ freilich mit Häme kommentiert: „Die sind schon mit den Nerven runter, bevor es richtig losgeht.“

Für den CDU-Spitzenkandidaten kam die Ausfälligkeit seines Parteifreunds gerade zur falschen Zeit. CDU-Wahlkampfleiter Volker Liepelt stellte wenige Stunden später ein „CDU-Sommerplakat“ vor, das Steffel und seine Frau in betont legerem Outfit und fahrlässigerweise ohne Helm auf einem Motorroller zeigt. Die Aufschrift: „Ab durch die Mitte. Katja und Frank Steffel wünschen schöne Ferien.“ Frau Katja steuert, der Kandidat selbst sitzt auf dem Sozius.

In der Sache enthielt die Abrechnung der CDU mit dem Senat übrigens kaum Überraschungen. Die Partei befindet sich im Aufwind (480 neue Mitglieder) und ist „bis in die Haarspitzen motiviert“, Rot-Grün ist eine Zumutung, Unternehmen werden sich aus Angst vor der PDS nicht mehr in Berlin ansiedeln. Nur eines verwunderte: In ihrer Pressemitteilung kritisiert die CDU „unmögliche Arbeitsbedingungen für die Justizvollzugsbeamten und frei laufende Straftäter“. Vollzieht sich hier ein heimlicher Paradigmenwechsel in der Sicherheitspolitik?