Nepals Establishment unter Druck

Der Rücktritt von Premierminister Koirala könnte endlich den Weg für Verhandlungen mit den maoistischen Rebellen freimachen. Koirala konnte letztlich auch seine eigene Kongress-Partei immer weniger von sich überzeugen

DELHI taz ■ Am Ende waren alle gegen Nepals amtierenden Premier. So blieb Girjia Prasad Koirala am Donnerstag nichts anderes übrig, als dem König seinen Rücktritt anzubieten. Die Opposition hatte schon seit Januar die Parlamentsarbeit blockiert. Sie beschuldigte den 78-Jährigen bei einem Deal der nationalen Fluggesellschaft Schmiergelder bezogen zu haben. Koiralas Gegner aus den Reihen seiner Kongress-Partei sägten fast ebenso eifrig an seinem Stuhl. Sie warfen ihm diktatorisches Gehabe vor, die Unfähigkeit, der maoistischen Rebellion Herr zu werden, sowie nach dem Königsmord am 1. Juni Mitschuld an der Konfusion im Zuge der Einsetzung des neuen Königs Gyanendra.

Schließlich ließen auch die Maoisten verlauten, sie seien bereit, mit der Regierung Verhandlungen aufzunehmen – aber ohne Koirala als Premier. Und diesmal hatte ihre Stimme Gewicht. Denn im Rolpa-Bezirk, im Westen des Landes, halten die Rebellen eine Woche nach der Geiselnahme immer noch 71 Polizisten fest. Sie sollen gegen gefangene Rebellen ausgetauscht werden – und gegen den Kopf des Premierministers. Schon vergangenes Jahr sollten Guerillas freigelassen werden, im Gegenzug zur Bereitschaft der Rebellen, sich mit der Regierung an einen Tisch zu setzen. Doch die Übergabe scheiterte, wofür die Rebellen Koirala verantwortlich machten.

Das Dorf, in dem die Polizisten festgehalten werden, ist jetzt von der Armee umstellt. Es ist das erste Mal seit Ausbruch der Bauernrevolte vor fünf Jahren, dass die Streitkräfte mobilisiert wurden. Sollte es zu einer gewaltsamen Befreiung kommen, wäre dies ein deutliches Zeichen, dass sich Nepal im Bürgerkrieg befindet. Bisher hat es niemand gewagt – weder der König, noch Premierminister oder das Parlament – diesen Schritt zu tun. Beobachtern vermuten dahinter, dass sich die Regierung der Loyalität der Armee nicht absolut sicher ist.

In Kathmandu ist man skeptisch, dass der Rücktritt des Premiers die Krise wirklich beheben kann. Koirala bleibt Parteipräsident. Und so wie ihm die parteiinterne Opposition das Leben schwer machte, so kann er es jetzt seinen Rivalen heimzahlen. Es ist zudem nicht sein erster Rücktritt. In den letzten zehn Jahren hat er es bereits dreimal getan und hat sich dann immer wieder in die oberste Machtposition zurückmanövriert. Auch diesmal ließ er es nicht dabei bewenden, dem König die Wahl seines Nachfolgers zu überlassen. Um zu verhindern, dass sein heftigster Kritiker, der Exregierungschef S. B. Deuba, zum Zug kommt, empfahl er König Gyanendra einen seiner Protegees zu ernennen – den jungen Außenminister C. P. Bastola oder gleich Sushil Koirala, seinen Neffen.

BERNARD IMHASLY