„Unser Kampf hier ist legitim“

Der Fatah-Chef, Marwan Barguti, plädiert für eine Fortführung der Intifada bei gleichzeitigen Verhandlungen. Er fordert eine Friedenskonferenz unter UN-Vorsitz

taz: Hat Ihre Strategie des bewaffneten Widerstandes gegen die israelische Besatzung bei gleichzeitigen Verhandlungen noch Zukunft?

Marwan Barguti: Wir unterhalten Kontakte mit der israelischen Regierung, obwohl Scharon Gespräche „unter dem Feuer der Intifada“ offiziell stets ausschließt. Es gibt zwar keine Hoffnung auf eine politische Lösung mit dieser israelischen Regierung, aber jede Strategie beinhaltet, dass man alles versucht. Scharon stellt die gewählte Regierung Israels, damit müssen wir umgehen.

Was sind Ihre Verhandlungsbedingungen?

Für realistische Verhandlungen brauchen wir erstens eine neue internationale Konferenz unter dem Vorsitz der Vereinten Nationen, nicht der USA. Zweitens brauchen wir eine aktive Rolle für die EU, Russland, Japan und andere Länder, neben den USA. Drittens ist ein Zeitplan für den vollständigen Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten notwendig. Und viertens: Wir führen die Intifada weiter und verhandeln gleichzeitig. Wir werden uns nicht mehr zu Geiseln der Israelis machen lassen.

Wären internationale Verhandlungen Anlass, den bewaffneten Widerstand zu beenden?

Die Intensität des Widerstandes wäre an Fortschritte in den Verhandlungen geknüpft. Der Friedensvertrag von 1993 war für uns der Beginn einer neuen Ära in der Geschichte des Konflikts, und wir halten an diesem Abkommen fest. Aber Israel hat seit dem Friedensschluss 23.400 neue Siedlungs-Wohneinheiten in den besetzten Gebieten gebaut. Das sind fast so viele wie in den 26 Jahren zuvor. Wir werden nicht mehr unter dem Terror der Siedler mit Israel verhandeln.

Die international anerkannte Vorbedingung für Gespräche ist aber nur ein Einfrieren des Siedlungsbaus.

Es gibt 22 UN-Resolutionen gegen die Siedlungspolitik. Trotzdem hat Israel stets neue Siedlungen gebaut. Seitdem wir Widerstand leisten, haben aber Hunderte von Siedlerfamilien die besetzten Gebiete verlassen. Das ist ein großer Erfolg für die Intifada. Ich hoffe, dass unter diesem Druck alle Siedler gehen.

Befürworten Sie militärische Operationen innerhalb Israels?

Nein, wir haben Israel anerkannt. Ich bevorzuge die Konzentration des Widerstandes auf die besetzten Gebiete. Es ist legitim, hier zu kämpfen. Wir leben unter Besatzung, sich zu wehren ist kein Verbrechen. Wir wollen nicht für immer unter der israelischen Militärherrschaft leben. Die Intifada ist nicht schön, aber von alleine werden die Israelis die besetzten Gebiete nie verlassen. Letzten Endes schwebt mir ein gemeinsamer Staat vor, in dem alle mit den gleichen Rechten zusammenleben können. Wie der Staat heißt, ist mir egal.

Wie sind Ihre Beziehungen zu Präsident Jassir Arafat, der den Widerstand stoppen soll?

Sehr gut.

Gerade enthüllte israelische Invasionspläne sehen vor, die palästinensische Führung zu ermorden, zu vertreiben oder in Lager zu sperren.

Durch eine militärische Lösung werden die Israelis niemals Sicherheit für sich erreichen. Sie versuchen das seit 34 Jahren. Ich bin mit der israelischen Besatzung und ihrer rassistischen Unterdrückung aufgewachsen. Seit 1967 war eine halbe Million Palästinenser in israelischen Gefängnissen, Tausende sind ermordet worden. Sie zerstören unsere Häuser und beschlagnahmen unser Land. Aber sie haben keine Sicherheit für sich schaffen können. Sie werden sich nie sicher fühlen können, wenn sie die Besatzung nicht beenden.

INTERVIEW: PETER SCHÄFER