Kapitalstrom jenseits von Afrika

Afrikanische Präsidenten stellen auf G-8-Gipfel Wirtschaftsplan vor, um Investoren anzulocken. Nicht einmal jeder hundertste grenzüberschreitend investierte Dollar landet bisher auf dem Kontinent. Selbst Direktinvestitionen bringen kaum Fortschritte

von MICHAEL HOLLMANN

Afrika bleibt weitgehend Terra incognita für internationale Investoren: Trotz zunehmender Öffnung seiner Märkte ist der Kontinent im letzten Jahr weiter von der weltweiten wirtschaftlichen Entwicklung abgehängt worden. Während steigende grenzüberschreitende Investitionen zu stärkerer Verflechtung der Industrieländer führten, schraubten ausländische Firmen ihr Engagement auf dem Kontinent zurück. Nach vorläufigen Berechnungen der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (Unctad) in Genf brachen die ausländischen Direktinvestitionen (FDI) im Jahr 2000 um mehr als 13 Prozent auf 9,1 Milliarden US-Dollar ein. Die Hoffnung auf einen warmen Kapitalregen durch die von Weltbank und IWF forcierte Strukturanpassung hat sich auch in der langfristigen Betrachtung als Luftschloss erwiesen: Afrikas Anteil an den weltweiten Direktinvestitionen sank laut Unctad von ca. 2 Prozent Anfang der 90er-Jahre auf zuletzt unter 1 Prozent. Diese Entwicklung konnten die Länder auch durch erhöhte Investitionsanreize nicht aufhalten. Insgesamt führten afrikanische Regierungen in den Jahren 1999 und 2000 rund 30 Gesetzesänderungen durch, um ausländischen Firmen bessere Einstiegsbedingungen zu bieten.

Die Unctad bemüht sich dennoch um eine positive Sicht und erklärt, dass „die Investitionszuflüsse insgesamt höher sind als zu Beginn der Neunzigerjahre, da die afrikanischen Länder das Investitionsklima bedeutend verbessern konnten“. Die Anstrengungen, neue Investoren zu gewinnen, müssten dennoch verdoppelt werden.

Bei der Verteilung der Kapitalströme auf die unterschiedlichen Regionen zeichnet sich weiterhin eine dramatische Schieflage zu Lasten der ärmsten Länder ab. Zu den attraktivsten Zielen für die transnationalen Konzerne zählen Südafrika sowie die entwickelteren Staaten Nordafrikas (Marokko, Ägypten, Tunesien), die ihren Anteil gegen den Trend auf 2,6 Milliarden US-Dollar erhöhen konnten. Unter den zehn größten Empfängerländern befinden sich allerdings nur drei der 34 am schwächsten entwickelten Länder (LDCs) Afrikas. Elf Länder verbuchen nur Investitionen von weniger als 10 Millionen US-Dollar oder sogar einen Abzug von Kapazitäten.

Als erfolgreiche Akteure unter den ärmsten Staaten nennt Ludger Odenthal, Leiter der Investitions- und Technologieabteilung der UNO-Agentur, Uganda, Mosambik sowie Tansania. „Diese Länder haben im letzten Jahrzehnt – wenn auch auf niedrigem Niveau – die ausländischen Direktinvestitionen beharrlich gesteigert.“ Im Vergleich aller Entwicklungsländer weltweit stünden sie relativ gut da. Die Gründe ließen sich allerdings kaum verallgemeinern. Einige Staaten profitierten vor allem von ihrem Rohstoffreichtum, während andere Länder wie etwa Angola und der Sudan erfolgreich Strukturreformen durchgeführt hätten.

In einer Umfrage nach den größten Investitionshemmnissen nannten die meisten Konzerne die grassierende Korruption und Behördenwillkür, mangelnden Zugang zu den globalen Märkten sowie einen hohen bürokratischen Aufwand. Doch selbst wenn internationale Firmen sich engagieren, sind damit nicht uneingeschränkt Wachstums- und Entwicklungserfolge verbunden: „Bei Privatisierungen ersetzen oft ausländische Investitionen lediglich die öffentlichen“, sagt Odenthal. 1998 zum Beispiel entfielen von Gesamtinvestitionen in Höhe von 8,3 Milliarden US-Dollar 1,4 Milliarden auf Privatisierungen von öffentlichen Kapazitäten.

In Tansania, das zu den Schrittmachern unter den ärmsten Ländern zählt, kamen zwischen 1990 und 2000 mehr als 300 öffentliche Firmen von der Telefongesellschaft bis zum Grubenunternehmen unter den Hammer. Auch staatliche Banken, Versicherungsunternehmen und Hafenverwaltungen stehen auf der Verkaufsliste. Das Beispiel Tansania zeigt, dass hohe Direktinvestitionen nicht unbedingt von großem Nutzen für die Volkswirtschaft sein müssen. So floss ein Großteil der Gelder in Goldgruben und andere Bereiche der Rohstoffförderung, die stark isoliert sind vom Rest der Wirtschaft. Eine einseitige Orientierung auf Direktinvestitionen taugt deshalb nicht als Entwicklungsstrategie. „Entwicklung hängt in erster Linie vom Erfolg der inländischen Akteure inklusive der Investoren im eigenen Land ab. Direktinvestitionen können diesen Prozess nur flankieren“, meint Odenthal. Dass steigende Kapitalzuflüsse nicht mit steigendem Lebensstandard zu verwechseln sind, hob kürzlich auch das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) in seinem Jahresbericht hervor. Nach dessen Kriterien für menschliche Entwicklung ist der Investitionsspitzenreiter Südafrika inzwischen auf den Stand von 1990 – vor dem Ende der Apartheid – zurückgefallen.