Thank & Pray

■ Burning Spear bewegte mit zeitlosen Riddims

Er steht auf der Bühne, hat den Kopf gesenkt, lässt den Körper sanft kreisen, ist in sich ruhend, während seine Band straffe Riddims und scharfe Bläsersätze spielt. Dann hebt er Kopf und Mikro und murmelt mehr, als dass er singt. Mit nasaler Stimme spricht er in der Kesselhalle des Bremer Schlachthofs über Marcus Garvey und die Tage der Sklaverei, um dann unvermittelt die Stimme zu erheben und voller Soul vom Leiden der verschleppten Sklaven Zeugnis abzulegen.

Das Publikum tobt. Für den Tontechniker muss das Abmischen die Hölle sein. Aber nach dem zweiten Stück hat er die perfekte Balance gefunden. Winston Rodney alias Burning Spear ist selbst für Reggae-Verhältnisse ein ungewöhnlicher Sänger. Näher an Jazzgesang denn an Soul, improvisiert er über seine ewigen Themen, wiederholt seine Zeilen immer wieder, gräbt sich in sie hinein.

Die Themen waren schon da, als er 1969, mit 21 Jahren, seine ersten Aufnahmen für Clement Dodds „Studio One“-Label machte. Mit dem von Jack Ruby produzierten Klassiker „Marcus Garvey“ hatte er 1975 seinen einzigartigen Sound gefunden, der am besten mit dem Titel seiner ersten selbstproduzierten LP „Dry & Heavy“ von 1977 beschrieben ist. In der zweiten Hälfte der 70er produzierte er für sein eigenes Label (seine Singles aus den Jahren 75-79 sind gerade auf der Pressure-Sounds-Veröffentlichung „Spear Burning“ erschienen). Kompromisslos und ernst verfolgt er seine Vision, ein Fels in der jamaikanischen Brandung.

Sein weltweites Publikum dankt es ihm. Der Schlachthof ist an diesem Abend randvoll mit den unterschiedlichsten Leuten, um einen der Väter des Roots-Reggae zu hören und sich zu seinen zeitlosen Riddims zu bewegen. Give thanks & praises.

Dieter Wiene