Der Gipfel zieht auf’n Berg

Die Debatte über die Reform der G-8-Treffen hat begonnen. Nächstes Jahr treffen sich die Politiker in den Rocky Mountains

aus Genua KATHARINA KOUFEN

Einen Song über den Schuldenerlass hat Bono, der Sänger von U2, noch nicht geschrieben. „Das ist gar nicht so einfach“, sagt er. Aber sonst will Bono zusammen mit Bob Geldof „alles tun, damit den armen Ländern ihre Schulden erlassen werden, und zwar vollständig“. Am Wochenende traf er sich in Genua mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und mit dem italienischen Ministerpräsidenten Romano Prodi. Die sollen sich bei den G 8-Staats- und Regierungchefs für die schnelle Umsetzung der Schuldeninitiative stark machen, die vor zwei Jahren auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Köln beschlossen wurde.

Außer dem Bundeskanzler und seinen G-8-Kollegen sprach gestern in Genua allerdings kaum jemand von einem „bedeutenden Erfolg“, wenn es um den Schuldenerlass ging. Schröder nutzte das Thema, um fast etwas wehmütig an den „übrigens ungewöhnlich freundlichen und friedlichen Gipfel damals bei uns in Köln“ zu erinnern – und um sich damit selbst noch einmal auf die Schulter zu klopfen.

Die aus weltweit mehreren tausend Entwicklungsverbänden gegründete Erlassjahrkampagne hingegen kritisiert, dass die G 8 den hoch verschuldeten ärmsten Entwicklungsländern bei diesem Gipfel keine neuen Angebote machen: 870 Millionen Dollar jährlich seien den Ländern bisher erlassen worden. Dem stünden aber weiterhin zwei Milliarden Dollar an Zins- und Tilgungszahlungen gegenüber. Auch fordert die Kampagne, hoch verschuldeten Schwellenländern wie Argentinien ebenfalls Schulden zu erlassen.

Argentinien und die Türkei sprachen die Staats- und Regierungschefs bei ihrer Debatte der internationalen Finanzpolitik an. Die Reformen in den beiden Ländern stellen „positive Schritte in die richtige Richtung“ dar, heißt es in der Abschlusserklärung. Um einen Kredit des Internationalen Währungsfonds zu erhalten, hat Argentiniens Regierung dem Land ein striktes Sparprogramm auferlegt. Dass die G 8 in Genua diese traditionelle IWF-Politik begrüßten, lässt darauf schließen, dass tief greifende Reformen des internationalen Finanzsystems, wie sie nach der Asienkrise fast einhellig gefordert wurden, erst einmal vom Tisch sind.

Als wollten sie für die Demonstranten draußen auf der Straße die Gutmenschen spielen, betonten die Staats- und Regierungschefs immer wieder, wie wichtig ihnen die Armutsbekämpfung sei. So wollen sie mit einer „neuen Partnerschaft“ die Entwicklung Afrikas unterstützen. Gefördert werden soll so ziemlich alles, was der Förderung bedarf: Demokratie, Konfliktvermeidung, neue Technologien, Bekämpfung von Korruption und Hunger. Wie das geschehen und vor allem, wo das Geld dafür herkommen soll, blieb unklar. Für den nächsten Gipfel in Kanada kündigten die Industrieländer an, dass sie sich verstärkt mit der „Internet-Kluft“ zwischen dem armen und dem reichen Teil der Welt befassen wollen.

Zur Armutsbekämpfung zählen die G 8 auch die Marktöffnung für die Entwicklungsländer. Der Bundeskanzler betonte daher mehrfach, wie wichtig das Gelingen einer neuen Welthandelsrunde sei. „Wir sind massiv für offenen Handel – auch da, wo wir nicht gewinnen“, sagte Schröder unter Anspielung auf den Agrarprotektionismus anderer Länder, etwa Frankreichs und der USA.

Um die Fülle der Themen einzudämmen, denken die Staats- und Regierungschefs darüber nach, ihre Treffen künftig wieder in kleinerem Kreis abzuhalten. Der kanadische Ministerpräsident und Gastgeber beim nächsten Gipfeltreffen, Jean Chretien, kündigte an, er wolle die Größe der Delegationen drastisch zurückfahren. „Hier sind einfach zu viele Leute.“ Auch soll das Treffen 2002 im kanadischen Bergort Kananaskis stattfinden – dort gibt es nur 350 Hotelzimmer. Gerhard Schröder schloss sich der Meinung Chretiens an: „Deutschland ist, was die Größe der Delegation angeht, ein Beispiel.“ Des Kanzlers Truppe zählte mit etwa 60 Teilnehmern zu den kleinsten in Genua. Der japanische Ministerpräsident Junichiro Koizumi ließ sich von 600 Mitarbeitern begleiten, US-Präsident Bush brachte es gar auf 900.

Der Kanzler betonte, mit den Reformvorschlägen reagierten die G-8 nicht auf die gewalttätigen Demonstrationen in Genua. „Wo kämen wir hin, wenn gewählte Staats- und Regierungchefs der wichtigsten Industriestaaten der Erde sich vorschreiben ließen, wann, wie und ob sie sich treffen dürfen.“ Aber: „Wir sollten uns wieder mehr auf die rein ökonomischen Fragen konzentrieren und die Außenpolitik den Ministern überlassen.“

Beim eigentlichen Thema des Gipfels, der Weltwirtschaftslage, beließen es die G-8-Chefs bei allgemeinen Feststellungen. So heißt es in der Abschlusserklärung etwa, dass „in den USA Zins- und Steuersenkungen die wirtschaftliche Entwicklung unterstützen“, während in Europa „wirtschaftliche Reformen dem Ziel eines nachhaltigen, inflationsfreien Wachstums dienten“. Der Bundeskanzler stellt denn auch nicht ohne Häme gegen den Journalisten fest: Das im Vorfeld heraufbeschworene „finanz-und wirtschaftpolitisches Gericht über die deutsche Politik“ sei ausgeblieben. Beim Wachstum der Weltwirtschaft gehe man immer noch von 3 bis 4 Prozent aus. Angst vor einer Rezession? Die schüren höchstens die Journalisten, meint der Kanzler: „Da erlebe ich in letzter Zeit so eine Art Trommelfeuer der Konjunkturpessimisten.“