Lehrjahre sind keine Lehrerjahre

Den Referendaren reicht es: Mehr Unterricht für weniger Geld, und jetzt sollen sie auch noch Reformideen liefern  ■ Von Sandra Wilsdorf

Wenn für Lehrer die großen Ferien beginnen und sich Angestellte in den bezahlten Urlaub aufmachen, führt der erste Ferienausflug mancher Referendare zum Sozialamt. Oder zum Bettelbesuch zu Mami und Papi. Oder zum Kreditaufnehmen in die Bank. Denn wenn das Referendariat vor den Sommerferien endet, endet auch der Vertrag. Selbst wenn sie in den Schuldienst übernommen werden, beginnt der Anschlussvertrag erst mit dem neuen Schuljahr Ende August. Und dazwischen?

„Das ist richtig blöd, ich bekomme jetzt kein Geld, und vor allem muss ich meine Krankenkasse komplett selbst bezahlen“, erzählt eine, die es betrifft, die aber anonym bleiben möchte. Denn weil Referendare „Beamte auf Widerruf“ sind, zahlen sie keine Arbeitslosenversicherung, haben also vom Arbeitsamt nichts zu erwarten und sind privat versichert. „Sozialhilfe bekomme ich auch nicht, da wären erstmal meine Eltern wieder dran“, sagt die junge Lehrerin. Die aber will sie nicht beanspruchen, „also werde ich wohl mein Konto überziehen.“

Denn zum Sparen bleibt den Referendaren nicht viel. 1800 Mark brutto verdienen sie, seitdem das „Ausbildungsgehalt“ bundesweit um 20 Prozent gesenkt wurde. Davon geht noch Krankenversicherung ab, bleiben etwa 1400 bis 1500 Mark. Das reicht vielen nicht. „Etwa 20 Prozent der Referendare jobben noch nebenbei“, sagt Dirk Flegel von der Betriebsgruppe Referendare der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Aber selbst das ist nicht so ohne weiteres möglich. Denn nach einer Studie des Studienseminars im Juni arbeiten Referendare durchschnittlich 65 Stunden pro Woche für die Schule. Daran ist auch die Erhöhung des bedarfsdeckenden Unterrichts von 4,5 auf 6 Stunden schuld. „Ich musste beispielsweise vom ersten Tag an vollkommen eigenständig den Englischunterricht in einer achten und Musikunterricht in einer fünften Klasse übernehmen“, erzählt die Referendarin. Kein erfahrener Lehrer guckt über die Schulter, von niemandem gibt es Rückmeldungen.

Weniger Geld, mehr Unterricht, weniger Ausbildung: Den Referendaren reicht es. Nun sollen sie sich noch an dem momentan angesagten Reformprozess der Lehrerbildung beteiligen – nebenbei und ohne Stundenausgleich. „Keine Zeit für gute Arbeit“, war die Antwort der Referendarskonferenz am Studienseminar auf dieses behördliche Ansinnen. Eine Umfrage in der Konferenz hat ergeben: 63 Prozent haben Interesse, in den Ar-beitsgruppen zur Reform mitzuarbeiten, aber 94 Prozent davon gaben an, die dafür erforderliche Zeit nicht aufbringen zu können.

„Dabei haben doch gerade die Referendare eine Art Klammerfunktion, weil sie die einzigen sind, die die Situation an den Universitäten, am Studienseminar und an den Schulen aktuell kennen“, sagt Dirk Flegel. „Eine Mitarbeit der Referendare an der Reform der Hamburger Lehrerausbildung darf durch untragbare Rahmenbedingungen nicht verhindert werden“, sagen die Referendare und fordern für die Teilnahme an den Arbeitsgruppen entweder eine Entlastung von zwei Stunden vom bedarfsdeckenden Unterricht oder eine höhere Vergütung, damit sie weniger jobben müssen.

Die Schulbehörde will die Referendare unbedingt in die Reform einbinden: „Es wird individuelle Lösungen für diejenigen geben, die sich besonders engagieren“, verspricht Frauke Scheunemann, Sprecherin der Schulbehörde. Ansonsten sei Hamburg auch damals dagegen gewesen, die Gehälter der Referendare zu senken. Deshalb setze sich Hamburg auf Bundesebene auch gerade dafür ein, dass sie wieder steigen. Auf diesem Feld kämpfen zurzeit die Kultusminister mit Otto Schily, der als Bundesinnenminister auch für Beamte zuständig ist. Scheunemann: „Zumindest bei den Referendaren für Berufsbildende Schulen, die ja etwas älter sind, scheint sich da etwas zu bewegen.“