Gebrochene Arme, Finger und Nasen

Ein gutes Dutzend Globalisierungskritiker aus Berlin ist nach dem Ende der Proteste in Genua noch in Haft. Viele sind verletzt. Ein 21-jähriger Student lag nach Gehirnblutungen 24 Stunden im Koma. Auch eine Journalistin ist inhaftiert

Ein 21-jähriger Berliner hat durch einen Polizeieinsatz beim G-8-Gipfel in Genua Gehirnblutungen erlitten und 24 Stunden im Koma gelegen. Nach Angaben des linken Berliner Ermittlungsausschusses (EA) hatte der Student die Nacht zum Sonntag in der Schule verbracht, in der das Genoa Social Forum, die Dachorgansitation der G-8-Kritiker, sein Quartier aufgeschlagen hatte. Die italienische Polizi hatte das Zentrum in der Nacht erstürmt und nach Augenzeugenberichten auf die dort Schlafenden eingeschlagen.

Unter den insgesamt 52 festgenommenen Deutschen befinden sich nach ersten Informationen des EA mindestens 14 Frauen und Männer aus Berlin. Die Mehrheit von ihnen gehöre zu den ingesamt 42 deutschen Aktivisten, die in der Schule verhaftet wurden. „Die meisten dort Festgenommenen sind verletzt“, sagte gestern eine Sprecherin des EA. „Das reicht von Prellungen über gebrochene Arme, Finger und Nasen bis hin zu schweren Kopfverletzungen.“ Eine Reihe von Verletzten sei aus den Krankenhäusern direkt in Gefängnisse verlegt worden.

Nach wie vor ungeklärt ist der rechtliche Status fast aller Festgenommenen. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums erklärte, 10 Deutsche seien „als Gewalttäter bei Ausschreitungen“ auf den Straßen der Stadt verhaftet worden, die anderen seien „vorübergehend festgenommen“.

Darunter befindet sich auch die Journalistin Kirsten W. Die 32-jährige Berlinerin, die für die Tageszeitung Junge Welt und das alternative Videomagazin Ak Kraak aus Genua berichtet hatte und offiziell akkreditiert war, hielt sich während der Razzia in der Schule auf und wird nun im Frauengefängnis Vogera festgehalten. Dort sollte gestern Abend eine Delegation von Europaparlamentariern und Ärzten Informationen über den Zustand der Häftlinge einholen.

Der Berliner Ermittlungsausschuss bemüht sich, besorgte Eltern zu beraten, Freunde der meist sehr jungen Verhafteten aus dem gesamten Bundesgebiet mit Informationen zu versorgen und Kontakte zwischen deutschen und italienischen Rechtsanwälten herzustellen.

Auch das Auswärtige Amt kann kaum Genaues über die Situation in Genua sagen. Das Generalkonsulat in Mailand sei bemüht, die Betroffenen in den Krankenhäusern und Gefängnissen aufzusuchen. Nicht immer mit Erfolg, wie besorgte Eltern feststellen mussten. Sie waren von Freunden oder vom EA über die Situation ihrer Kinder informiert worden.

So erfuhr auch Bodo Zeuner, Professor für Politologie an der Freien Universität Berlin, dass seine 22-jährige Tochter bei der Razzia in der Schule verhaftet und verletzt wurde. „Bisher konnte mir niemand sagen, wo sie festgehalten und was ihr tatsächlich vorgeworfen wird,“ sagte Zeuner der taz. Er kritisierte, dass Innenminister Otto Schily (SPD) die zahlreichen Festnahmen ausnutze, um „europaweit Law and Order durchzusetzen und die Demonstrationsfreiheit auszuhöhlen.“

Ermittlungsausschuss: Tel.: 6 92 22 22inland SEITE 8, ausland SEITE 10