Die Eisenbahn als schlechtes Vorbild

Nach der Privatisierung von British Rail fuhren die Züge ins Chaos. Jetzt bewerben sich dieselben Firmen um den Betrieb der U-Bahn

„Public-Private Partnership“ – das ist das Rezept, auf das die britische Labour Party setzt. Erst Mitte der Neunziger hatte die Partei das Prinzip des öffentlichen Eigentums an den Produktionsmitteln aus ihrem Programm gestrichen. Seither propagiert New Labour eine Partnerschaft zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor, um die maroden staatlichen Dienstleistungsbetriebe auf Vordermann zu bringen. Das sei der „dritte Weg“, sagt Premierminister Tony Blair.

Wenn es nach ihm geht, wird die Londoner U-Bahn in vier Bereiche aufgespalten. Drei davon gehen an Privatunternehmen, während der eigentliche Betrieb der U-Bahn sowie die Wartung und die Signale in staatlicher Hand bleiben. Für die am tiefsten liegenden Linien haben sich bereits Kandidaten beworben, die das Vertrauen der Regierung haben. Nur für zwei Linien, die das Stadtzentrum umkreisen, gibt es noch keinen Favoriten.

Ausgerechnet ein Konsortium unter Führung von Balfour Beatty soll gleich für vier Linien den Zuschlag erhalten. Die Baufirma war für die defekten Schienen verantwortlich, die voriges Jahr das Unglück bei Hatfield ausgelöst hatten. Vier Menschen starben. Danach musste das gesamte Schienennetz der britischen Eisenbahnen überprüft werden, monatelang kam es zum Ausfall von Zügen und zu erheblichen Verspätungen. „Die Regierung führt nicht nur das gleiche System ein wie bei der Eisenbahn“, moniert Londons Bürgermeister Ken Livingstone, „sondern beschäftigt zum Teil sogar dieselben Firmen, die für das Debakel bei der Bahn verantwortlich sind.“

Noch steht der Finanzierungsplan der beiden Konsortien nicht. „Wir sind jetzt an demselben Punkt“, sagt der Professor für Transportfragen am Imperial College, Stephen Glaister, „an dem die Pläne für das Wembley-Stadion und die Eisenbahn von London zum Kanaltunnel in sich zusammenfielen.“

Mit der Teilprivatisierung will die Regierung erreichen, dass in den kommenden siebeneinhalb Jahren die U-Bahn-Stationen modernisiert und bis 2020 sämtliche Züge erneuert werden. Dafür sind in den nächsten 15 Jahren mindestens 13 Milliarden Pfund erforderlich. Es kostet allein 1,5 Milliarden Pfund, die finanzielle Vernachlässigung der U-Bahn in den vergangenen zehn Jahren wettzumachen.

Livingstone will dagegen zehn Milliarden Pfund durch Staatsanleihen aufbringen, die nicht vom Finanzministerium, sondern durch den Fahrkartenverkauf abgesichert sind. Mit dem Geld sollen 85 Prozent aller Züge bis Ende 2009 ersetzt werden. Außerdem verlangt er Kontrolle über die Wartungsarbeiten der Privatfirmen sowie das Recht, den Vertrag mit einem Konsortium zu kündigen, falls es die Sicherheitsstandards verletzt. Mit keinem dieser Punkte konnte er sich bei der Regierung durchsetzen. Das Gericht muss nun klären, wer bei der U-Bahn das Sagen hat.RALPH SOTSCHECK