Original Sin im Original

In der Reihe „L'amour fou“: Francois Truffauts „Das Geheimnis der falschen Braut“  ■ Von Gerd Bauder

„Tut Liebe weh?“ „Ja, es tut weh.“ Knapper als in diesem Dialog der zwei verhängnisvoll verliebten Protagonisten lassen sich Handlung und Aussage von Truffauts Das Geheimnis der falschen Braut kaum zusammenfassen. Von der Unmöglichkeit und der Unbeherrschbarkeit der Liebe, ja nachgerade dem Ihr-ausgeliefert-Sein, handelt sein Film von 1969.

Basierend auf dem Roman Walzer in der Dunkelheit von Cornell Woolrich, gerade als Original Sin mit Angelina Jolie neu verfilmt, handelt Truffauts „schwarzer Liebesfilm“ von zwei Menschen, die gegen alle Vernunft nicht voneinander lassen können: Marion (Catherine Deneuve), die Heiratsschwindlerin, und der von ihr um sein Vermögen, vor allem aber seine Verliebtheit geprellte Fabrikant Louis Mahé (Jean-Paul Belmondo). Nach einem kurzen und nur scheinbaren Eheglück auf dessen Heimatinsel Réunion setzt sich Marion nach Frankreich ab. Später stößt Mahé in einem Nachtclub in Nizza zufällig wieder auf sie, nur um sich nun endgültig in sie zu verlieben. Es beginnt ein Taumel, ein Wechselbad der Gefühle, wo Zärtlichkeiten, unkontrollierter Hass und stete Neuanfänge sich rasant ablösen.

Diese durchaus triviale Story weiß Truffaut in Das Geheimnis der falschen Braut geschmackvoll zu erzählen. Gekonnt umschifft er die Gefahr, sich in Erotikthriller-Platitüden zu verlieren. Das liegt zum einen an seiner meisterhaften Inszenierung, die allein formal besticht. Seien es die geradezu poetischen Plansequenzen auf der afrikanischen Insel, die eine mit der vermeintlichen Liebe Marions und Mahés korrespondierende Stimmung schaffen. Seien es später die eindringlichen Zooms während der intimen Gespräche der Liebenden. Oder seien es die gimmickhaften Blenden, die so manche Szenen verbinden. Das zu sehen, macht einfach Spaß.

Zum anderen überzeugt der Film mit seiner durchgehenden Spannung. Zunächst ist Das Geheimnis der falschen Braut ein Thriller. Deutlich verneigt sich Truffaut vor seinem Vorbild Hitchcock. Den Zuschauern verabreicht er gezielt Informationshäppchen, die den Protagonisten vorenthalten bleiben und erzeugt so Suspense, die durch einen subtilen Soundtrack, eine allmählich ins Bedrohliche umschlagende Atmosphäre und diverse falsche Fährten noch gesteigert wird. Bevor sie indes durch die Auflösung der Verbrechen ins Leere laufen kann, verlagert Truffaut die Spannung dann auf eine andere Ebene. Der Film entfernt sich vom Thriller und konzentriert sich von nun an auf die „Amour fou“ zwischen Marion und Mahé.

Da geraten dann zwei Individuen aneinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten – hier die knallharte, aus armen Verhältnissen stammende Betrügerin, dort der melancholisch-verträumte Fabrikant. Mal sind sie ganz verliebte Turteltäubchen, mal zornige und desillusionierte Erwachsene, die sich in gegenseitigen Beschuldigungen verlieren, um sich kurz da-rauf weinend in den Armen zu liegen.

Truffaut vermittelt diese Spannung, die zwischen den Liebenden herrscht, mindestens genauso pa-ckend wie die des Thrillers. Aber, wo der Thriller sich durch Zusammenhänge und Fakten auflösen lässt, bleibt die Liebe und ihr etwaiges Scheitern nur bedingt mit psychologischen Begründungen erklärbar. Die einzige Gewissheit ist die eingangs zitierte Antwort Mahés: „Ja, es tut weh.“

heute, 21.15 Uhr, morgen, 17 Uhr + Donnerstag, 28.7., 19.30 Uhr, Metropolis