Die Concorde fliegt wieder

Ab September sollen Passagiere wieder mit Überschalltempo befördert werden. Ein Jahr nach dem Crash der Concorde scheint die Absturzursache klar

von RALF SOTSCHECK

Nun ist sie wieder in der Luft. Vorige Woche flog eine britische Concorde erstmals seit dem Unglück von Paris wieder mit Überschallgeschwindigkeit – allerdings noch ohne Passagiere. Nach dem Absturz, heute vor einem Jahr, als eine französische Concorde auf ein Hotel im Pariser Vorort Gonesse stürzte und dabei 113 Menschen starben, hatten nicht mal die Anhänger des Luxusjets damit gerechnet, dass er jemals wieder abheben würde – obwohl er bis zur Katastrophe in seiner mehr als dreißigjährigen Geschichte eine makellose Weste hatte.

Am 15. August wollen British Airways und Air France den Antrag für die Wiederaufnahme von Passagierflügen stellen. Die britische Concorde soll ab September wieder starten, die Franzosen wollen einen Monat später folgen. Zunächst wird es nur einen eingeschränkten Flugplan geben, bis alle zwölf Maschinen umgerüstet sind. Der Probeflug voriger Woche führte die Concorde „Alpha Foxtrot“ von London nach Island und zurück. Alles sei problemlos verlaufen, gab British Airways bekannt. „Es war absolut fantastisch“, sagte Pilot Mike Bannister. „Wir wollen die Concorde wieder dort sehen, wo sie hingehört: 60.000 Fuß über dem Boden.“

An Bord war auch der Testpilot der zivilen Luftfahrtbehörde, Jock Reid. Die Behörde muss über die Flugtauglichkeit der Concorde entscheiden, die Daten des Probefluges, der drei Stunden und 20 Minuten dauerte, werden zur Zeit geprüft. Bereits nächste Woche sollen die Piloten mit Auffrischkursen beginnen: Auf dem westirischen Flughafen Shannon wird Starten und Landen geübt. Die für die Concorde zuständige englisch-französische Arbeitsgruppe erklärte, alles werde getan, damit der Überschallflieger ein frühes Comeback feiern könne. „Beide Luftfahrtbehörden arbeiten eng zusammen, um die Bedingungen abzustimmen, unter denen neue Fluglizenzen ausgestellt werden können“, sagte ein Sprecher. „Wir versuchen, die Lufttauglichkeitsbescheinigungen für Britannien und Frankreich gleichzeitig zu erhalten.“

Absturz wegen Metallteil

Eine Wiederholung des Unglücks sei nach Umrüstung der Maschinen ausgeschlossen, glaubt British Airways. Das französische Büro für Unfalluntersuchung veröffentlichte vorgestern den zweiten Zwischenbericht über die Ursache der Katastrophe. Verantwortlich sei ein Stück Metall gewesen, das eine kurz zuvor gestartete DC-10 der US-Fluggesellschaft Continental Airlines verloren hatte. Es zerfetzte einen Reifen der Concorde, die Gummiteile verstopften einen Motor, der seine Schubkraft einbüßte, sich aber während des Starts noch einmal erholte. Weitere Teile des Reifens waren gegen einen Treibstoffbehälter geschlagen und hatten eine Schockwelle ausgelöst, die ein Stück des Tanks und der Außenwand absprengte. Das ausströmende Kerosin entzündete sich. Zwar entwickelte das Triebwerk noch einmal Schub, doch die herausgeschleuderten Metallteile und ein Gemisch aus heißen Gasen und Kerosin legten es endgültig lahm. Der Pilot hatte keine Chance mehr, den nahe gelegenen Flughafen Le Bourget anzusteuern.

Man habe zwar bei Versuchen das Szenario der geplatzten Reifen nachvollziehen können, gab das Büro für Unfalluntersuchung bekannt, nicht jedoch die Schockwelle, die den Tank von innen her zerstörte. Dieses Ereignis gebe weiterhin Rätsel auf. Aus dem französischen Bericht geht außerdem hervor, dass die Concorde etwas Übergewicht hatte – doch das schloss das Büro als Unfallursache aus. Der Abschlussbericht soll in einigen Monaten fertig sein.

Um eine Wiederholung des Unglücks auszuschließen, werden die Flieger umgerüstet. Michelin hat neue Reifen für den Überschalljet entwickelt, die im Ernstfall in kleine Einzelteile zerspringen und der dünnhäutigen Concorde nichts anhaben können. Außerdem konstruierten Ingenieure von British Airways Matten aus Kevlar-Gummi, die in den Kerosintanks angebracht wurden und automatisch Löcher stopfen sollen, wenn der Tank beschädigt wird. Solche Matten werden auch bei Militärflugzeugen und bei Formel-1-Rennautos verwendet. Darüber hinaus wurden die Kabel im Fahrwerk verstärkt und die Kabine erhielt ein neues Design von Sir Terence Conran.

Ob die Generalüberholung des Jets die Kundschaft wieder anlocken kann, ist fraglich. Immerhin kostet ein Flug nach New York bis zu 6.000 Pfund (etwa 18.000 Mark). Und die Konkurrenz von Boeing ist dabei, ein neues Flugzeug zu entwickeln, das knapp unter der Schallgeschwindigkeit fliegt und deshalb im Gegensatz zur Concorde über besiedelten Gebieten durchstarten darf.

Verstopfter Luftraum

In England droht der Concorde noch eine ganz andere Gefahr. Nirgendwo ist der Luftraum so verstopft wie dort. Die Zahl der Beinahekatastrophen im englischen Luftraum hat in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen.Die Fluggesellschaften stellen jedes Jahr eine Tabelle mit den zwölf verkehrsreichsten Sektoren in Europa auf. Im Jahr 2000 waren lediglich zwei englische Sektoren darunter, in diesem Jahr sind es schon sieben. Spitzenreiter ist aber nicht London sondern Wirral/Lakes im Nordwesten Englands. Nächstes Wochenende ist der Höhepunkt der Feriensaison, mehr als eine Million Passagiere, die auf britischen Flughäfen ankommen oder abfliegen, müssen mit erheblichen Verspätungen rechnen. Rod Eddington, Geschäftsführer von British Airways, sagte: „Die Verstopfung im Luftraum und auf den Flughäfen nimmt kritische Dimensionen an.“ Piloten und Fluglotsen stünden unter erheblichem Druck.