Filmstarts à la carte
: Schmierenkomödie

■ Eigentlich sind Agatha Christies Romane und Bühnenstücke furchtbar langweilig: Meist treffen sich die üblichen Verdächtigen an einem relativ abgeschiedenen Schauplatz, meucheln dortselbst wegen irgendeiner läppischen Erbschaft wild um sich her - und zum Schluss präsentiert ein brillanter Detektiv dank erstaunlicher Hirnakrobatik mal wieder die Person mit dem besten Alibi als Täter. Alfred Hitchcock wusste schon genau, warum er die Whodunits als unfilmisch und spannungslos erachtete und folglich einen großen Bogen um sie machte. Andererseits boten Christie-Verfilmungen für Schauspieler beiderlei Geschlechts stets die Möglichkeit, einmal ordentlich die Rampensau herauszulassen - was ja mitunter auch ganz vergnüglich anzusehen sein kann. Man denke nur an Margaret Rutherford in ihrer Glanzrolle als skurrile Miss Marple oder an Peter Ustinov, der den eitlen Detektiv Hercule Poirot verkörperte. Auch in dem Gerichtsdrama „Zeugin der Anklage“, das Billy Wilder 1957 nach einem Theaterstück der britischen Krimiautorin inszenierte, plagt sich eine mit Verve agierende All-Star-Besetzung mit einer hübsch absurden Schmierenkomödie ab, in der absolut nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint: Der Angeklagte (Tyrone Power) hat die Wahrheit nämlich keineswegs gepachtet, auch wenn er immer so tut, und seine Gattin (Marlene Dietrich) ist eigentlich gar nicht so herzlos, wie sie vorgibt zu sein. Am Schluss hat dann jeder jeden betrogen und alle sind ziemlich düpiert - bis auf den Zuschauer, der die abstrusen Maskeraden natürlich längst durchschaut hat, und sich vor allem am Spiel von Charles Laughton delektieren kann, der als eitler, grantelnder Strafverteidiger feststellen muss, dass er keineswegs so brillant ist, wie er geglaubt hatte.

„Zeugin der Anklage“ 29. 1. im Arsenal 1

■ Kaum in Kalifornien angekommen, steckt Tony Curtis schon nach wenigen Minuten in einer dem Sonnenstaat angemessenen Kleidung. Allerdings ist ihm außer seinen Shorts auch nichts mehr geblieben - hat eine italienische Hobbymalerin (Claudia Cardinale) doch gerade sein Auto und seine gesamten Besitztümer ruiniert und zu allem Überfluss ein Feuer gelegt, das auch noch auf seinen Anzug übergriff. So rasant sein gesellschaftlicher Abstieg vonstatten ging, so schnell rappelt er sich wieder auf: In kürzester Zeit hat er sich einen Job als Verkäufer von Swimmingpools erschwindelt und besitzt dank eines obskuren Deals, den er selbst nicht versteht, plötzlich ein Haus und einen Rolls Royce. Gnadenlos macht sich „Die nackten Tatsachen“, eine amerikanische Farce des britischen Regisseurs Alexander Mackendrick, über das „anything goes“ des kalifornischen Lebenstils lustig und liefert gleichzeitig eine Parodie auf die in den frühen 60ern so beliebten Strandpartyfilme. Nachdem der mittellose Curtis am Ozean genächtigt hat, wacht er nämlich inmitten bunten Strandtreibens zwischen Surfern, Bikinischönheiten und Muskelprotzen auf, deren Gespräche sich vornehmlich um Horoskope drehen. Bleibt eigentlich nur noch eine Frage zu beantworten: Welche Auswirkungen hat Sex auf die Formschönheit der Leistenmuskulatur?

„Die nackten Tatsachen“ 30. 7. im Central 2

■ Der Mann arbeitet sich nach und nach an den Mythen Amerikas ab: Nach Vietnamkrieg (“Platoon“), Musikheroen (“The Doors“) und Politikern (“JFK“ und „Nixon“) ist Oliver Stone zwischenzeitlich beim Sport angelangt, genauer gesagt beim American Football. Doch in „An jedem verdammten Sonntag“ inszeniert Stone dann doch wieder, was er von jeher am besten kann: Krieg. Mit Schwindel erregenden Kameraeinstellungungen und Stakkato-Montage entwirft der Regisseur auf und abseits des Spielfeldes Schlachtszenarien, in denen die Knochen knacken, Augen über den Rasen kullern, und - im übertragenen Sinn - die Köpfe rollen. Taktik und Spielzüge geraten dabei allerdings zur Nebensache - was bleibt, ist ein mit durchaus glaubwürdigen Charakteren versehenes Gladiatorendrama für Leute mit einer Liebe zu visuellem Overkill.

“An jedem verdammten Sonntag“ 26. 7. - 28. 7. im Filmm. Potsdam

Lars Penning