juttas neue welt
: Ein Ende ohne Anfang

Wie muss ich mir eigentlich das Internet vorstellen? So vom Körperbau, meine ich. Das habe ich mich schon immer gefragt. Ist das Netz bloß ein ganz langes Kabel, durch das Bits and Bytes und Mails and more brausen? Oder muss ich mich eher an dem galaktischen Wort „Cyberspace“ orientieren, bei dem ich aber immer gleichzeitig an William Gibson, Captain Future und ein Elektrizitätswerk denken muss. Und das ergibt auch ein schiefes Bild.

Deshalb: Jedes Mal, wenn ich mich einlogge, bilde ich mir einfach ein, vorübergehend eine Welt zu betreten, in der die unzähligen Websites so rumliegen wie die Staubkörner in meinem Zimmer. Ein bisschen schwereloser nur. Und natürlich ist alles mit allem verbunden. Irgendwie.

Aber noch wichtiger ist: Ich betrete eine Welt, die nirgends anfängt und nirgends aufhört. Das Internet ist für mich ein Stück Unendlichkeit. Wenn ich ihm eine Form zusprechen müsste, würde ich sagen, es sieht aus wie eine Acht, die sich zum Mittagsschlaf hingelegt hat. Doch neulich machte ich eine schockierende Entdeckung. Ich landete plötzlich am Ende des Internets. Unter www.shibumi.org/eoti.htm bekam ich die erstaunliche Mitteilung auf den Bildschirm: „The End of the Internet. Congratulations! This is the last page.“

War ich etwa in eine Sackgasse reingesurft? Aber wenn das Netz ein Ende hat, muss es doch auch einen Anfang geben. Ich machte mich auf die Suche nach dem A zum O. Doch vergebens. Es gibt zwar unheimlich viele „erste Adressen im Netz“ und auch „die beste Startseite“ ist mehrfach vorhanden. Aber den Anfang des Internets konnte ich nicht finden – bloß den historischen und damit Wissenswertes zum Arpanet.

Doch wie kann etwas enden, wenn es nirgendwo und niemals anfängt? Ich war verzweifelt. Noch schlimmer wurde es, als ich unter www.uni-karlsruhe.de/~upix/ entdeckte, dass die drei W sogar zwei Enden haben, zwischen denen man hin- und herspringen kann. Ist das Internet in Wahrheit also eine Wurst? Und wie groß ist der Abstand zwischen den beiden Enden? Vielleicht so groß wie die Zeilenabstände bei Word: einfach, mindestens, genau oder mehrfach? Vielleicht aber auch doppelt. Oder noch weniger beschreibbar, weil unendlich groß?

Von wegen unendliches Internet! Enden ohne Ende gibt es hier, da ist gleich noch eins unter www.chem.uni-potsdam.de/~thomas/ende.html. Hier wurde ich von einer freundlichen Dialogbox aufgefordert, dem Ende eins zu machen und den Browser zu schließen. Ich war ungehorsam und sollte es büßen. Ein neues bitteres Ende ließ nicht lange auf sich warten, dieses Mal sogar schlecht getarnt unter www.das-ende-des-internets.de.

Das Internet verendet, dachte ich und erkannte, dass ich mich neu sortieren musste. Ich kam nicht darum herum, meine alte Vorstellung vom Aussehen des Internets zu löschen. Eine neue musste her. Wie sieht etwas aus, was offenbar unzählige Enden hatte? Wie eine Rolle Klopapier?

Aber die ist irgendwann verschwunden, und das Netz ist immer noch da. Vielleicht ist das Web ja auch ein Igel, aber soweit ich weiß, hält es keinen Winterschlaf. Ein Wollknäuel könnte es auch sein, denn das hat auch keinen Anfang – zumindest dann nicht, wenn man ihn braucht. Ich habe plötzlich so viele Vorstellungen, wie das Internet Enden zu haben vorgibt. Und kein klares Bild mehr von dem Netz, mit dem wir leben.

Leider bin ich auch hier wieder mal an einem Ende angelangt und kann nicht mehr laut weiterdenken. Und auch der Sommer ist schon bald wieder zu Ende. Ehrlich gesagt, habe ich langsam die Nase voll von dem ganzen finalen Kram. Ein bisschen weniger endlich könnte die Welt schon sein. Besonders von der schönen neuen hätte ich das erwartet. End-täuscht schließt JUTTA HEESS

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