Mehr Hilfe nötig

■ Der Stadtteilbeirat äußert sich verhalten kritisch zum Handlungskonzept St. Georg

Er wolle nicht überheblich klingen, meinte Michael Joho vom Einwohnerverein St. Georg gestern am Hansaplatz, aber in den letzten 15 Jahren seien er und viele andere Anwohner des Stadtteils sozusagen „selbst zu Drogenpolitikern geworden“. Da örtliche Gremien jedoch am neuen Konzept des Innensenators kaum beteiligt worden seien, stellte der Stadtteilbeirat dazu nun eine Stellungnahme vor. Die Erklärung, an der neben dem Einwohner- auch der Bürgerverein sowie Vertreter der evangelischen Gemeinde, der Heinrich-Wolgast-Schule des Grundeigentümerverbandes und der örtlichen SPD beteiligt waren, lehnt die geplanten Maßnahmen nicht rundheraus ab.

Jedoch steht an erster Stelle die Befürchtung, dass es lediglich bei den derzeitigen Polizeiaktionen am Bahnhof bleibt. Wenn diesen nicht bald die angekündigten neuen Hilfsmaßnahmen, wie ein zweiter Drogenkonsumraum oder spezielle Hilfen für Crackabhängige folgen, befürchten die Anwohner eine erneute Verschiebung der Szene vom Bahnhof in den Stadtteil hinein. Auch seien über die von Scholz angekündigten Punkte hinaus, weitere Hilfsangebote nötig, zum Beispiel für drogenabhängige Frauen und Minderjährige oder auch Alkoholiker.

Die zur Zeit rein repressiven Maßnahmen tragen nach Meinung der meisten nicht zur Besserung bei. Christian Diesener, Elternvertreter an der Heinrich-Wolgast-Schule, verwies auf eine zunehmende Aggressivität der Kinder gegen Drogensüchtige, die zum Teil direkt vor ihren Klassenzimmern von der Polizei gejagt würden. So habe sich kürzlich eine Jugendfußballmannschaft sogar „Junkie-Killers“ getauft. Der Stadtteilbeirat erklärte einstimmig, dass eine entspannende, niedrigschwellige Drogenpolitik weiterhin wünschenswert sei, nach der Devise: „was die Lage der Drogenabhängigen verbessert, nutzt auch dem Stadtteil“.

Uneinigkeit herrscht dagegen über die Gabe von Brechmitteln an Dealer. Zwar wurde dies allgemein als „übles, unangemessenes Behandeln dieser Menschen“ verurteilt, ein Teil des Rates hält sie aber trotzdem für legitim. Denn die Dealer, so eine Minderheitenmeinung im Beirat, beeinträchtigten auch „in Permanenz die Menschenwürde der hier lebenden Menschen“.

David Böcking