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: Schön, wenn die anderen das Feiern übernehmen

0190-Choreografien

Der Glanz der letzten Tage, die Loveweek 2001, ist vorbei, und in unserer kleinen Stadt geht alles wieder seinen normalen Trott.

Aber was haben wir gelacht und gestaunt in dieser Liebeswoche! Völlig neue Freizeitbeschäftigungen haben sich aufgetan. Herrlich, vorm Bergstübel sitzen und sich die laue Nacht mit heiterem Autonummernraten vertreiben! LDS? Land an der Spree! NVP? Nordvorpommern! NMS? Neumünster natürlich. Noch ein Sekt auf Eis, noch eine Zigarette, und die Nacht rauscht dahin. Wie lustig die Vogelnester- und Dachrinnenfrisuren der jungen Männer, die am Alexanderplatz aus den Bussen steigen!

Das Schöne an der Loveweek ist ja, dass man gar nicht selbst mitmachen muss, sondern sich nach dem Motto „Wenn die anderen feiern“ eine Woche lang beruhigt zurücklehnen konnte.

Die teilnahmslose Beobachtung bringt auf Dauer sowieso mehr Lebensfreude als ewig dem eigenen Vergnügen hinterherzurennen. Der Höhepunkt der Woche war der Samstag. Ab 14 Uhr gab es die Love Parade auf B 1 und als besonderes Schmankerl hinterher den Gernsehabend mit der Love Parade 95. Wie sich die Bilder glichen!!

Nun kann keiner mehr die Vergangenheit verklären und behaupten, früher sei der Technoumzug besser, szeniger, unkommerzieller gewesen. B 1 hat bewiesen: Alle sahen damals schon genauso bescheuert aus, zappelten sinnlos rum und riefen bereitwillig Wortfetzen wie „Party!“ oder „Geil!!“ in die Mikrofone. Besinnlichere DJ-Charaktere wiesen darauf hin, wie herrlich peaceful es hier an der Gedächtniskirche doch im Vergleich zum Kriegsschauplatz Jugoslawien zuging.

In der Love-Parade-Disziplin „Sexy tanzen“ ist jedoch ein Stilwandel zu vermelden. 1995 reichte es noch aus, den zuckenden Leib an sich in Szene zu setzen. Dieses Jahr bestimmten Null-Hundertneunzig-Bewegungsabläufe das Bild. Das bedeutet für das Technogirlie: den entblößten Busen mittig zusammenquetschen, dummes Gesicht machen und die Zunge sexuell rollend rausstrecken. Wahlweise geht auch arschkreisend den hinteren Tangafaden von oben in die Kamera recken.

Nachts dann, ganz erledigt vom vielen Fernsehen, musste auch der teilnahmslose Beobachter mal wieder unter Menschen. Natürlich nach crazy Mitte, ins „Glam“, einem bis dato unbekannten Ort, der per Ausgehmail empfohlen worden war.

Alles war dort wie früher, ganz wehmütig wurde einem zumute. Ein leer stehendes Haus mit zerbröckeltem Hinterhof nebst ruinöser Brandmauer, und nur Teelichter säumten die verfallenen Stufen und den Weg zur Bar! Alle waren da, und man erzählte sich die Love-Parade-Fernseherlebnisse und benannte B 1-Lieblingsmoderatorinnen. Den groß angekündigten DJ-Streik um 17 Uhr hatte keiner bemerkt, allgemein wurde jedoch Dr. Mottes diesjährige Rede als wenig spektakulär bekrittelt. Unter launigen Bemerkungen flog so die Nacht dahin.

Sonntag, nach dem Ausschlafen, stellte sich die Frage, wo man am schönsten verstrahlte Raver gucken kann, im Tresor oder im Park? Die Natur siegte, wie so oft. Im Volkspark Friedrichshain hatte ein Jugendradiosender zur Loveweek ein silbernes Gestell aufgebaut, unter dem viele Kuhfellträger ermattet ravten. Ihre Choreografie erinnerte stark an die zweite Hälfte des bekannten Films „Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss“. So nahm auch der Sonntagnachmittag munter seinen Lauf.

Und am Montag war die Loveweek dann schon wieder vorbei. Aber B 1, Planetcom und der neue Bürgermeister haben ja versprochen, dass es nächstes Jahr wieder genauso schön wird. CHRISTIANE RÖSINGER