Tiddiyiddibumm

Salsa ist laut und glücklich, aber bei manchen klingt er weniger schrill: Ricardo Lemvo und seine Band Makina Loca spielen im Rahmen der „Heimatklänge“ im Tempodrom

Das Problem mit der Salsamusik ist ihre Unbeschwertheit. Die gute Laune scheint bisweilen gerade zu zwanghaft. Menschen mit gelegentlichen Phasen stiller Mutlosigkeit fällt es oft schwer, sich im hüpfenden Salsa-Rhythmus zu Hause zu fühlen. Sie ziehen sich lieber in Musikstile zurück, die ein breiteres Emotionsspektrum zu bedienen versprechen. Und auch wenn die Organisatoren der „Heimatklänge“ sich seit Jahren bemühen, mit Schwerpunktsetzungen regionale Besonderheiten, historische Einflüsse und komplizierte Verwandtschaften des Salsa in ihrem Programm differenziert aufzuzeigen, gelingt es selbst langjährigen Besuchern lateinamerikanischer Tanzkurse meist nicht, den Klang dieser Musik anders zu beschreiben als einfach nur laut und glücklich.

Dabei ist Salsa natürlich nicht gleich Salsa. Die Spielart, die mit Ricardo Lemvo & Makina Loca an diesem Wochenende in die „Heimatklänge“ kommt, nennt sich CongoRumba. Die goldenen Jahre des CongoRumba liegen in den 50er-Jahren in Leopoldville, dem heutigen Kinshasa. Ebenso wie der Rest der Welt schaute damals auch der Kongo, wenn es um Tanzmusik ging, nach Kuba. Für die Kongolesen feierte mit den Boleros, Rumbas und den späteren ChaChaChas der Havanna-Orchester unverkennbar auch die Musik Afrikas ihren ersten internationalen Erfolg. Umgekehrt eignete sich die kongolesische Musik schnell Elemente des kubanischen Son an, und bald hatte sich Soukous, wie diese Musik seit den 80er-Jahren genannt wird, zur populärsten Musik Afrikas entwickelt, die bis heute heiter aus den Lautsprecheranlagen der meisten Sammeltaxis leiert.

Mit Ricardo Lemvo emigrierte die Soukous Tradition in die USA. Nach einer Jugend in Kinshasa, mit ersten musikalischen Versuchen in einer James-Brown-Cover-Band, kam der heute 43-Jährige in den 70er-Jahren nach Los Angeles und fand sich dort in einer ausgelassenen Salsaszene wieder. Aus Liebe zur Tanzmusik schmiss er sein Jurastudium und tat sich mit dem US-Kubaner „Nino“ Jesús Perez zusammen. Heute sind er und seine „Verrückte Maschine“(„Makina Loca“) schon beim dritten Salsa-Soukous-Album angelangt. Zu Lemvos regelmäßigen Konzertbesuchern in den USA zählen Jenifer López und Michael Douglas.

In Berlin fielen beim Auftaktkonzert am Mittwochabend dagegen vor allem Globalisierungskritiker im Publikum auf. Die Worte „Hafenstadt Genua“, „krasser Polizeieinsatz“ und „Grundrecht auf politische Demonstration“ waren häufig als Fetzen diffuser Meinungsäußerung zu vernehmen, bevor die meisten Besucher dann doch zu den Klängen von Makina Loca in einen selbstvergessenen Wiegeschritt verfielen. Denn Ricardo Lemvo ist ein großer freundlicher Mann mit breitem Lächeln im Gesicht und Rasseln in der Hand. Seine Lieder heißen „bumbumdadadaa“ oder „tiddiyiddybumm“. In Berlin sei es viel schöner als in München, sagt er ins Mikrofon. Und ebenso versöhnlich und weich klingt seine Musik. Zwar dominieren auch hier die typischen harten Bläsersätze, trotzdem scheint einem das alles weniger schrill und verschwitzt als beim südamerikanischen Salsa.

Die Krankengymnastin aus Oldenburg, die einen gerade noch in ein Gespräch über die benachbarte Körperwelten-Ausstellung verwickelt hatte, schiebt sich bereits beim dritten Lied mit ihrem Caipirinha-Becher weiter nach vorne. Sie hatte außerdem erzählt, dass sie am vergangenen Wochenende das erste Mal auf der Love Parade war. Dort fand sie es auch sehr gut. Man selbst hatte letzten Samstag festgestellt, dass sogar auf Goa-Partys mittlerweile synthetische Technovariationen von Salsamusik gespielt werden.

KIRSTEN KÜPPERS

Ricardo Lemvo & Makina Loca im Tempodrom am Ostbahnhof, Freitag bis Samstag 21.30 Uhr