Rosa ausschlachten

Lernen von einer Ausgebufften: Margarethe von Trotta bringt Studenten der Potsdamer Hochschule für Film und Fernsehen das Handwerk bei

von NINO KETSCHAGMADSE

Es ist schummrig im Raum. Die Jalousie dämmt das helle Licht. Ein Paar liegt eng umschlungen in einem alten Bett. Sie wacht von seinem Schnarchen auf, küsst ihn zärtlich und versucht, nachdem er noch lauter schnarcht, vorsichtig aus dem Bett zu klettern. Der Mann wird wach, greift nach ihrem Bein und zerrt sie zurück. Nach einem kurzen, wilden Taumeln finden sich die beiden am Ende des Bettes wieder. „Stopp!“ Jasmin Herrmann ist unglücklich. Nach dem vierten Versuch steht die Szene immer noch nicht. Die Hand des Mannes soll frei auf dem Arm der Frau gleiten, sie hält den Arm aber gebogen. Dabei hat es mit dem Schnarchen doch so gut geklappt, und auch das Vorspiel war besser. Die Kamera hatte diesmal keine Probleme, dem Paar zu folgen, anders als beim letzten Mal, als unzählige Kabel im Weg waren. Also noch mal von vorn: „Ruhe bitte!“ – „Kamera bereit!“ – „Kamera ab!“

Im kleinen Atelier im Keller der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) in Babelsberg sitzt noch eine zweite Regisseurin. Vor einem kleinen Schwarzweiß-Monitor beobachtet Margarethe von Trotta das Geschehen. Jasmin hockt neben ihr und schüttelt den Kopf. „Das war jetzt so minimal, das kannst du nehmen“, beruhigt von Trotta die Studentin. Doch Jasmins Ergeiz ist größer, also noch mal die gleiche Szene. Gleich am Semesteranfang hat sich die 27-Jährige bemüht, in die zweiwöchige Werkstatt zur Schauspielführung reinzukommen. Die Chance, mit einer erfahrenen Regisseurin wie von Trotta zu arbeiten, gibt’s schließlich nicht jeden Tag.

Acht Regiestudenten hat die auch als Darstellerin und Drehbuchautorin arbeitende von Trotta zu betreuen. Als Arbeitsmaterial bot sie ihnen eine Szene aus ihrem 1985 entstandenen Film „Rosa Luxemburg“ an, für den sie seinerzeit den Bundesfilmpreis in Gold erhalten hatte. Mit zwei Profischauspielern sollten die Studenten unter thematischen Aspekten wie Arbeit und Liebe, Liebe und Sexualität, Verrat und Entscheidung eine Szene „von der totalen Zweisamkeit bis zur Trennung“ ausarbeiten. Die Szene, so von Trotta, sei reich an innerer Spannungen und biete verschiedenste Nuancen. Ein Set und zwei Schauspieler – die Vorgabe ließ den Studenten bewusst viel Freiheit. Und so machten sie sich erst einmal daran, den Text fleißig umzuschreiben. Geändert wurden auch der Schauplatz und die Zeit. So ist von der Sozialistin Rosa Luxemburg nicht mehr viel übrig geblieben.

Namhafte Regisseure und die damit verbundene Abwechslung von der doch „sehr theoretischen“ Ausbildung gibt es nach Meinung der Studenten viel zu selten. So freuten sie sich schon im Vorfeld über „Margarethe“. Die sei sehr gelassen und ruhig, mit einer antiautoritären Art und ohne Hierarchie. Fragen könne man sie ohne Angst und sich mit ihr auseinander setzen auch. „Dann nimmt sie einen in den Arm und lässt dich erst nach zwanzig Minuten wieder frei.“ Die Autorenfilmerin habe auch einen besonderen Draht zu Schauspielern, behaupten die Studenten. Zumindest schwärmen die beiden Darsteller, die diese Werkstattwochen mitmachen, für sie. Mit einem Lächeln oder einer Berührung könne sie erreichen, was sie wolle.

Und von Trotta? „Zwei Wochen halte ich das aus. Ich fühle mich in dieser Zeit auch wohl, aber dann ist Schluss.“ Die 59-Jährige, die seit ihrem Mauermelodram „Das Versprechen“ (1994) keinen Kinofilm mehr gemacht hat, meint, dass sie als hauptberufliche Pädagogin denkbar ungeeignet wäre. Es falle ihr schwer, die passive Rolle zu spielen. Nebenbei unterstreicht sie die Bedeutung einer schulischen Ausbildung für Filmleute. Obwohl es natürlich immer wieder Naturtalente gebe. Von Trotta erinnert daran, dass beispielsweise Rainer Werner Fassbinder und Werner Herzog ohne jegliche klassische Ausbildung im Stande waren, gute Filme zu machen. Auch sie selbst habe keine richtige fachliche Anleitung bekommen – „in Ansätzen vielleicht ein paar Stunden so etwas wie privaten Schauspielunterricht“, und Regie habe ihr sowieso niemand beigebracht.

Jasmin ist nach dem siebten Versuch mit dem Spiel im Bett fertig geworden. Das Ergebnis kann sich sehen und zeigen lassen. Zusammen mit ihren Kommilitonen baut sie das Atelier für die nächste Einstellung um: Diesmal bekommt die Frau heraus, dass sie betrogen wurde. Jasmin ist unsicher und lässt die Schauspieler mehrmals proben. Margarethe von Trotta wird langsam ungeduldig: „Dreh doch eine Szene und dann weißt du, wo du stehst.“ Mit gekräuselter Stirn, zusammengekniffenen Augen und konzentriertem Lächeln beobachtet sie das Geschehen. Jasmin merkt, dass ihr umgeschriebener Dialog nicht richtig funktioniert. Es gibt „gedankliche Ungenauigkeiten“. Von Trotta darf also noch einmal Ratschläge erteilen.

Die Kamerastudenten interessiert das weniger. Sie übernehmen für ihre Regiekollegen die Videoaufnahmen. Bis September müssen acht kleine Filme von jeweils zehn bis fünfzehn Minuten geschnitten und für die Auswertung vorbereitet werden. Auch Margarethe von Trotta wird dann wieder an der HFF vorbeischauen.