Unwirtschaftlichkeit eines EU-Projektes

Inzwischen stellen selbst die Bauern den Zweck des Staudamms in Frage. Zu widersprüchlich sind die Aussagen der Planer, wer davon profitieren soll

Nach Regierungsplänen wird sich nach der Flutung eine Wasserfläche von 250 Quadratkilometern bis in die spanische Extremadura ausdehnen. Der Stausee wird dann fast halb so groß sein wie der Bodensee. In den nächsten 25 Jahren sollen dann noch neun weitere Dämme folgen. Geplant ist auch der Ausbau eines Bewässerungssystems, das insgesamt rund 5.000 Kilometer Kanäle umfassen soll. Sie sollen für eine Intensivierung der Landwirtschaft im Süden Portugals genutzt werden.

„Allerdings“, erklärt Gerald Hau, Leiter der Euronatur-Mittelmeerprojekte, „sind die Böden im Alentejo sind nicht für intensiven Agrarbau geeignet.“ Nach seiner Einschätzung fördert die Europäische Union mit diesem Projekt die Erosion einer jahrhundertelang extensiv bewirtschafteten Gegend.

Deren traditionelle und geschätzte Produkte – Oliven, Schinken, Feigen und Kork – sollen auf dem Weltmarkt gehandelt werden. Es sei unverständlich, so Hau, warum die Europäische Union (EU) ein Projekt subventioniert, das ihrer neuen Agrarpolitik widerspricht. Diese hat zum Ziel erklärt, landwirtschaftliche Überschussproduktionen und die dadurch verursachte Umweltverschmutzung zu vermindern. Der EU zufolge sei „die Umwelt und das ländliche Erbe in Europa durch Agrarumweltmaßnahmen wie zum Beispiel den ökologischen Landbau zu erhalten“.

Wie Kerstin Jorna, Sprecherin des zuständigen Abteilungsleiters in der EU-Kommission erklärte, sollen durch den Damm in Alqueva der Anbau von Oliven, Wein und Obst ermöglicht werden. Darüber kann man sich nur wundern, sind dies doch Bereiche, deren Überschussproduktionen seit langem bekannt sind.

Mittlerweile zeichnet sich ab, dass die Folgekosten des Damms selbst die Erträge einer intensiv betriebenen Landwirtschaft übersteigen werden: Da das Wasser zu den höher gelegenen Feldern gepumpt werden muss, war der Bau des flussabwärts gelegenen Pedrogão-Wasserkraftwerkes unabdingbar. Man müsse außerdem, so Gerald Hau, „das Wasser, das durch die intensive Landwirtschaft der Extremadura bereits stark belastet ist, aufbereiten, da der Stausee sonst eutrophiert und umzukippen droht“. Die schlechte Wasserqualität erlaube es auch nicht, den Staudamm als Trinkwasserreservoir für die Bevölkerung des Alentejo zu verwenden. Damit widerspricht er Guy Crausser in Brüssel, der die Trinkwasserversorgung als Hauptzweck des Stausees bezeichnet.

Doch die Wasserreinigung und das Hochpumpen zu den zukünftigen Feldern werfen Kosten auf, die den Wasserpreis in die Höhe treiben werden. Rosa Matos von der portugiesischen Umweltorganisation LPN sagt, die Bauern würden sich der Illusion hingeben, dass die Wasserkosten von der EU subventioniert würden. Dies widerspräche jedoch der neuen europäischen Wasserpolitik, die „Kostenwahrheit“ verlangt.

Es stellt sich die Frage, wer – neben der internationalen Bauindustrie – von dem Staudamm profitieren wird. Nach Aussagen der Umweltschützer soll gut die Hälfte des gewonnenen Wassers über eine Verbindung in den Rio Sado gepumpt werden und die fruchtbaren Felder südlich von Lissabon bewässern.

Das wäre ein Widerspruch zu dem regionalen Entwicklungsprogramm: Denn damit würden mit finanzieller Unterstützung der EU die Ressourcen einer armen Region einer reichen Region zugeführt. Weitere Nutznießer, so vermuten die Ökologen, seien Golfplätze an der Algarve, die einen hohen Wasserbedarf haben.

Hierzu erklärt EU-Sprecherin Kerstin Jorna, dass die „touristische Erschließung dem ansässigen Handwerk eine Basis verschaffen“ werde. Sie bestätigt damit indirekt eine Vermutung der Tageszeitung Publico: Die Tourismusindustrie hat nicht nur ein Auge auf die rund tausend Kilometer Küstenlinie geworfen, sondern auch auf die rund 460 Inseln im zukünftigen Stausee. Diese wollen die Ökologen jedoch für die Tierwelt reservieren. José Paulo Martins, der Präsident von „Quercus“ (Associação Nacional de Conservação da Natureza) erklärt, dass ausländische Investoren bereits in Verhandlungen seien, um Land aufzukaufen. Dort sollen dann Hotels, Casinos und Golfplätze gebaut werden.

Es sei zu vermuten, so Martins, dass die ausländischen Konsortien vor allem billige Arbeitskräfte aus Osteuropa und Nordafrika anheuern werden. So arbeiten auf der Staudammbaustelle laut Rosa Matos nur zwei Portugiesen – als Köche.

Die Bedenken an dem Projekt, das im Alentejo anfänglich noch so euphorisch begrüßt wurde, nehmen inzwischen zu. Allmählich beginnen auch die Bauern, an dem Bau des Staudamms, der eigentlich ihre Probleme lösen sollte, zu zweifeln. Denn, so zwei Männer in dem Dörfchen Luz, das demnächst in den Wasserfluten versinken wird und dessen Einwohner in schmucklose Reihenhäuser umgesiedelt werden, „wir hatten unser Land so bereitwillig hergegeben, damit unsere Probleme im Alentejo gelöst werden“.

ANDREA WAMSLER