Der palästinensische Bierprophet

Nadim Churi ist der einzige Bierbrauer in den palästinensischen Gebieten. Die Nahostkrise bringt ihn dem Ruin nahe

Nadim Churi ist Idealist. Als einziger palästinensischer Bierbrauer produziert der 42-Jährige für eine Bevölkerung, die zu 95 Prozent aus Muslimen besteht, denen jeglicher Alkoholkonsum verboten ist. „Dabei ist Bier doch so gesund“, sagt Churi.

Seine Liebe zum kühlen Hellen hat der Palästinenser Anfang der Achtzigerjahre während eines Betriebswirtschaftsstudiums im US-amerikanischen Boston entdeckt. Anschließend erlernte er in Kalifornien den Beruf des Braumeisters. Nach den israelisch-palästinensischen Friedensverhandlungen 1993 baute er in seinem Geburtsdorf Taybeh, eine halbe Autostunde nördlich von Ramallah in den palästinensischen Autonomiegebieten, eine Brauerei auf. Angefangen hat der Kleinbetrieb mit einer Wochenproduktion von 300 Flaschen des fünfprozentigen „Golden Taybeh“, gebraut nach deutschem Reinheitsgebot. Heute füllen die zwölf Angestellten 6.000 Flaschen wöchentlich mit drei verschiedenen Sorten Bier ab. Fassbier erweitert das Angebot.

Das Taybeh ist fast nur in denjenigen Orten der Autonomiegebiete erhältlich, in denen die Bevölkerung überwiegend christlich ist, etwa in Bethlehem. „Die Muslime aus dem Umland fahren aber dorthin und schmuggeln das Bier nach Hause“, erzählt Churi. Bier in der Öffentlichkeit zu trinken, ist überall in palästinensischem Gebiet verboten. Die Ausnahme ist das liberale Ramallah, wo Alkohol in zahlreichen Bars und Restaurants ausgeschenkt und auch von vielen Muslimen konsumiert wird. „Palästinenser verschmähen allerdings oft lokale Produkte“, klagt Churi. Er setzte deshalb lange Zeit auf Touristen: „Wenn die Leute sehen, dass den Ausländern mein Taybeh schmeckt, greifen sie auch zu.“

Braumeister Churi versteht sich als Entwicklungshelfer in Sachen Bier: „Ich bringe regelmäßig den Angestellten von Restaurants und Kneipen bei, wie man Bier behandelt und serviert.“ Die Öffnung mancher Flaschen seines Biers verursache einen Knall, der Umstehende in Zeiten drohender israelischer Luftangriffe heftig erschrecke. „Viele wissen nicht, dass man das Bier nicht in der Nähe von Wärmequellen lagern darf.“

Churis Brauerei hat mit größeren Schwierigkeiten zu kämpfen. „Die israelischen Behörden halten die aus Europa kommenden Rohstoffe zurück“, beschwert sich der Chef. Die Abriegelung seines Dorfs durch Israels Armee erschwere die Auslieferung der Ware. An die palästinensischen Behörden muss Churi eine Sondersteuer von 40 Prozent auf den Flaschenpreis bezahlen. Das sei wohl ein Zugeständnis an die muslimische Mehrheit, meint er. „Sogar die Israelis kaufen mein Bier“, erzählt Churi. „Allerdings machen sie die Etiketten ab und verkaufen es in Tel Aviver Kneipen als Hausbier.“

Seit Beginn der zweiten Intifada letzten September hat die Taybeh-Brauerei 90-prozentige Umsatzeinbußen. „Die Leute können sich das Bier nicht mehr leisten“, meint Churi. „Keine Arbeit, kein Bier.“ Auch die Touristen bleiben seitdem aus. Das könnte das Ende der Taybeh-Brauerei sein. Churi hat aber eine Idee zur Erschließung des muslimischen Markts: alkoholfreies Bier. „Dafür habe ich ein Etikett in grüner Hamas-Farbe entworfen“, sagt er verschmitzt. Die palästinensische Organisation Hamas propagiert ein radikales Islamverständnis.

PETER SCHÄFER