Angst vor der Flut

Erneut ist Südpolen von einer Hochwasserkatastrophe bedroht. Regierung legt erstes Notprogramm auf

WARSCHAU taz ■ In manchen Orten Südpolens schwimmen einzelne Stühle und Tische die Straßen entlang. Schauchboote sind seit drei Tagen das Hauptverkehrsmittel. Seit Montag hat sich die Hochwassersituation dramatisch verschlechtert. In Krakau, der größten Stadt der Region, stehen Teile der Innenstadt unter Wasser. Keller sind überflutet, viele Straßen nicht mehr passierbar. Gefährdet sind insbesondere die Brücken, da der Pegelstand der Weichsel die Acht-Meter-Grenze überschritten hat. Viele helfen, mit Sandsäcken das Ufer zu sichern. Die Uferbefestigungen wurden mit einem Metallmantel verstärkt. Seit Montag sind bei den schweren Unwettern in Polen mindestens 10 Menschen ertrunken und 5 bei Blitzschlägen ums Leben gekommen.

Die Wettervorhersagen haben in der südpolnischen Region rund um Nowy Sącz Alarmstufe eins ausgelöst. Neben dem sintflutartigen Regen sind es vor allem kleinere Flüsse, die sich in reißende Ströme verwandeln. Rund um Nowy Sącz sind Hubschrauber ständig im Einsatz, um Menschen zu retten, die sich auf den Dächern ihrer Häuser in Sicherheit gebracht haben. In vielen Orten ist die Strom- und Wasserversorgung ausgefallen.

Alle haben Angst vor den Flutwellen. 1997 ertranken 55 Menschen. Tausende verloren Haus und Hof. Viele müssen zum Teil noch heute in Notunterkünften wohnen. In Breslau (Wrocław) müssen Bewohner alter Häuser evakuiert werden, weil die Wände reißen und ein Einsturz droht.

Der Schaden in der südpolnischen Regionen rund um Krakau und Kielce beträgt rund 130 Millionen Mark. Die Regierung hat ein erstes Notprogramm für die Flutopfer in Höhe von einer Million Mark beschlossen. Außerdem soll jede betroffene Familie ein Handgeld von knapp 3.000 Mark bekommen, um damit die ersten Schäden beseitigen zu können. Zusätzlich wurde für die Flutopfer ein Kreditprogramm beschlossen, das bei sehr niedrigen Zinsen von zwei Prozent die Renovierung der Wohnungen und Häuser erleichtern soll. Darüber hinaus werden die Gemeinden knapp 20 Millionen Mark Finanzierungszuschuss zum Wiederaufbau von Brücken und der Instandsetzung von Straßen erhalten. Weitere 50 Millionen Mark sind für Bauern bestimmt, deren Felder durch das Hochwasser verwüstet wurden. Auch der nationale Fonds für den Umweltschutz steuert knapp 50 Millionen Mark bei. Das Rote Kreuz und die „Akcja Humanitarna“ haben zu Spenden aufgerufen.

Während sich die Lage in Schlesien und an der polnisch-deutschen Grenze entschärft hat, bleibt die Lage in Süd- und Zentralpolen auch in den nächsten Tagen kritisch. Die Meteorologen sagen anhaltenden Regen voraus. GABRIELE LESSER