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: Der Sinn einer internationalen Untersuchung

Rechtsstaat gegen rechten Staat

Die Reise der grünen Bundestagsabgeordneten Buntenbach und Ströbele zu inhaftierten und verletzten GlobalisierungskritikerInnen in Genua ist ein Akt politischer Solidarität, der gemessen an der Schwarzer-Block-Hysterie der meisten Politiker alles andere als selbstverständlich ist. Mit ihrer Arbeit „vor Ort“ haben die beiden Abgeordneten etwas von dem Geist aufscheinen lassen, der für das Verhältnis der Bündnisgrünen zu den sozialen Bewegungen bestimmend sein sollte.

Gleiches gilt auch für die Forderung der beiden Parlamentarier, einen internationalen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des Polizeiterrors in Genua einzusetzen. Hätte es noch einer Begründung für einen solchen Ausschuss bedurft, so hat sie der italienische Innenminister mit seiner Bemerkung geliefert, der Einsatz der Polizei in Genua sei „professionell“ abgelaufen. Weit davon entfernt. Der Untersuchungsausschuss soll hier vielmehr rechtsstaatliche Professionalität erst durchsetzen, ohne eine Paralleljustiz zu begründen – kurz: dem Rechtsstaat auf die Sprünge helfen.

Es geht nicht um die Anprangerung eines „Genueser Landrechts“. Massive Angriffe auf die Menschenwürde, auf Freiheit, auf körperliche Integrität spielen sich bekanntlich nicht nur dort ab, wo demokratische Finsternis herrscht. Auch rechtsstaatlich verfasste Demokratien wie die italienische drohen auf der schiefen, polizeistaatlichen Ebene abzurutschen, wenn die Menschenrechte nicht gelebt, wenn politische Minderheiten – und sei es noch so lautstark und rabiat – sie nicht ständig einfordern. Und so verhält es sich nicht nur im südlichen Genua, sondern auch in unserem ach so menschenrechtsfreundlichen mitteleuropäischen Klima.

Ein internationaler Untersuchungsausschuss ist dazu da, der polizeilichen Vertuschungsarbeit einen Strich durch die Rechnung zu machen. An Anwälten, Kriminalisten, scharfsinnigen Analytikern für diese Aufgabe herrscht kein Mangel, erste Zusammenstellungen von Zeugenaussagen existieren bereits. Am besten wäre es, wenn der Ausschuss sich als Organ des Europäischen Parlaments konstituieren würde, das käme seiner Durchsetzungsfähigkeit zu Gute. Aber selbst wenn eine solche Anbindung scheiterte, könnte eine rein gesellschaftlich bestimmte Ermittlungsarbeit zum Erfolg führen. Vom Juni 1967 in Westberlin bis zum Oktober 1989 in Ostberlin gibt es hierfür genügend aufmunternde Beispiele. CHRISTIAN SEMLER