„Das liest doch jeder“

Bekanntheit und Akzeptanz der taz in NRW haben durch die wöchentlich erscheinende taz nrw extrem zugenommen. Beweis: Politik und Medien in NRW kommen nicht mehr an der taz vorbei

von MARKUS FRANZ

Die Frage kommt überraschend, und sie ist an mich gerichtet: „Was, Herr Franz, waren heute für Sie die wichtigsten regionalen Meldungen?“, fragt die Moderatorin von WDR 5 in der Sendung „Funkhaus Wallrafplatz“ an einem Samstag um 9.20 Uhr. „ Äh . . .“, stottere ich, „. . . die Olympiade in Peking und die Ablehnung des Dosenpfands durch den Bundesrat . . . äh, aber das ist ja nicht regional.“ – Pause – „Äh . . .das mit dem Dosenpfand ist natürlich regional . . . äh, aber Region ist für mich das Ruhrgebiet und nicht Nordrhein-Westfalen.“ Mist, schießt es mir durch den Kopf.

Schließlich vertrete ich die taz nrw und nicht nur die taz ruhr. Da muss ich NRW als Region sehen. Aber Betrunkene und Überraschte sagen eben die Wahrheit.

Mein Gesprächspartner, der Chefredakteur von Deutschlands größter Regionalzeitung, WAZ, zeigt mir, was eine Harke ist: Die Beispiele, sagt Uwe Knüpfer, zeigten sehr wohl den regionalen Aspekt. Die Olympiaentscheidung für Peking bedeute, dass die Spiele 2012 wahrscheinlich nach Europa kommen und dann vielleicht ins Ruhrgebiet. Die Überschrift in einer Ruhrgebietszeitung müsse daher lauten: „Chancen für Olympia im Ruhrgebiet gestiegen“.

Nun erinnere ich mich an die Lektüre des Kölner Stadtanzeigers am Morgen: Da stand die Überschrift: „Chancen für Olympia im Rheinland gestiegen“. Damit sind wir beim Kern des Themas: „Kleine Welt ganz groß: über Stärken und Schwächen des Regionaljournalismus“.

Eine überregionale Zeitung würde titeln: „Chance für Olympia in Deutschland 2012 gestiegen“. Das ist zwar nicht uninteressant, aber den Kölner und Bochumer interessiert eben vor allem, ob Olympia zu ihm vor die Haustür kommt. Deswegen hat die taz seit vielen Jahren Lokalteile in Hamburg und Bremen und seit Mai 2000 die taz nrw mit dem Regionalteil taz ruhr und dem Lokalteil taz köln, ergänzt durch vier Seiten Landesberichterstattung – ergänzt wohlgemerkt. Der Schwerpunkt liegt auf dem Lokalen bzw. Regionalen. Das Konzept ist aufgegangen. So gut aufgegangen, dass jetzt die Süddeutsche Zeitung mit täglich acht Seiten nach NRW kommt, wobei noch unklar ist, ob und wie viele Regionalseiten es geben wird. Und auch die WAZ hat sich die taz zum Vorbild genommen: Vor ein paar Wochen führte sie die Seite „Aus dem Ruhrgebiet“ ein und versucht darüber hinaus, Themen aus den einzelnen Städten zunehmend so aufzubereiten, dass sie für das ganze Ruhrgebiet interessant sind. Die taz ruhr macht das, mal besser, mal schlechter, von Anfang an.

Die Leser wissen diese Vorgehensweise zu schätzen, wie auch ein Anrufer bei WDR 5 zeigte. Er lobte einen Text der taz ruhr, in dem nicht nur – wie in der WAZ – über die Haushaltssperre in Gelsenkirchen berichtet wurde, sondern über die Hintergründe und dass anderen Ruhrgebietsstädten aus dem gleichen Grund ein ähnliches Schicksal blüht. Stimmt, räumte WAZ-Chef Knüpfer ein, da sei die taz besser gewesen, und beeilte sich ein Beispiel zu nennen, wo die WAZ vor kurzem auch Ruhrgebiets-weit recherchiert hat.

Der Anrufer ist beileibe kein Einzelfall. Bekanntheit und Akzeptanz der taz in NRW haben durch die nur einmal wöchentlich erscheinende taz nrw sprunghaft zugenommen. Im Ruhrgebiet und Köln sowieso. Aber auch in der Landeshauptstadt. In den Presseschauen der Landesregierung werden inzwischen so viele Berichte der taz aufgenommen, dass sie manchmal auf zwei Tage verteilt werden. Sonst sähe die Presseschau einfach zu taz-lastig aus. Ein Anrufer aus dem Wirtschaftsministerium beschwerte sich jüngst über einen Text von uns mit den Worten: „Wissen Sie, was das für uns bedeutet? Das liest doch jeder.“

Genau so ist es. Jedenfalls bezogen auf Politik und Medien. Eine Breitenwirkung erzeugt die taz nrw nicht. Wie auch? Sie erscheint einmal die Woche und liegt nur an den wenigsten Kiosken aus. Von einer Werbekampagne für ein neues Produkt konnte eh keine Rede sein. Das Mutterhaus in Berlin muss sich endlich entscheiden: Wenn sie in NRW ihre Stellung ausbauen will, muss sie eine tägliche Erscheinungsweise finanzieren. Der selbst ausbeuterische Einsatz der Mitarbeiter in Köln und im Ruhrgebiet ist nicht beliebig verlängerbar.

Erstaunlich gut

In früheren Beiträgen habe ich von durchgearbeiteten Nächten geschwärmt und dem unglaublichen Idealismus der Mitarbeiter. Da waren wir noch am Anfang eines ambitionierten, aber wegen der finanziellen Bedingungen sehr fragilen Projekts.

Inzwischen wundere ich mich, wie erstaunlich wir uns weiterentwickelt haben, wie gut wir geworden sind, trotz der gleich bleibend schlechten Bedingungen. Auf kaum etwas in meinem Leben bin ich so stolz wie darauf, wie wir die 1998 gegründete taz ruhr weiterentwickelt haben.

Die taz in Berlin sollte das nutzen und entsprechend handeln. Verdammt noch mal, wirklich.