Angst vor ETA-Anschlägen auf Touristenziele

Zwei fehlgeschlagene Anschläge an Spaniens Küste in einer Woche lassen befürchten, dass die baskische ETA verstärkt Tourismuszentren angreift

MADRID taz ■ Mariano Rajoy ist beunruhigt: „Die ETA möchte an der Küste Chaos säen“, befürchtet der spanische Innenminister. Seit Dienstag ist das Gewissheit: Olaia Castresana (22) sprengte sich in Torreviaja an der Mittelmeerküste bei Valencia selbst in die Luft, als sie versuchte, einen zehn Kilogramm schweren Sprengsatz mit einem Zünder zu versehen. Ihr Apartment wurde völlig zerstört. „In der Wohnung war genug Sprengstoff um drei oder vier Anschläge zu verüben“, gab Innenminister Rajoy bekannt. Er ging davon aus, dass Castresana und ihr Lebensgefährte Anartz Oiarzabal, der sich seit der Explosion auf der Flucht befindet, nicht die einzigen ETA-Aktivisten an der Küste sind.

Das bewahrheitete sich am Donnerstag, als vor dem Hauptterminal des Flughafens von Malaga eine Autobombe mit 60 Kilogramm Dynamit entschärft werden konnte. Warum die Bombe nicht zum geplanten Zeitpunkt explodierte, ist unklar.

Die bewaffneten baskischen Separatisten kündigten im März an, dass „die Interessen der Tourismuswirtschaft Anschlagsziele sind“. Seit dem Ende des ETA-Waffenstillstands im Dezember 1999 setzen die Separatisten ganz neue Kommandos ein. Deren Mitglieder sind meist sehr jung und von der Polizei noch nicht als ETA-Mitglieder erfasst. Auch bei Castresana und Oiarzabal war dies der Fall. Sie kommen beide aus den radikalen Jugendgruppen, die Wochenende für Wochenende das Baskenland mit ihrer kale borroka – dem Straßenkampf mit Brandsätzen – unsicher machen.

Meist gehören die jungen Etarras zum größten ETA-Kommando, in der Baskenmetropole San Sebastian. Sie gehen einem normalen Leben nach und reisen in ihrer Freizeit nach Frankreich, wo sie von leitenden Etarras mit Information über Anschlagsziele und Material versorgt werden. Zurück in Spanien führen sie dann ihre Aufträge dann aus.

Vor allem an der Mittelmeerküste können die Etarras leicht untertauchen. 20 Prozent der Ferienapartments der Region gehören baskischen Familien. Die Wohnung, in der Castresana ums Leben kam, gehört den Eltern Oiarzabals.

Auch an Dynamit mangelt es der ETA nicht. Im März stahl die Organisation bei Grenoble in Frankreich über eine Tonne Dynamit. Aus diesem Sprengstoff war auch die Bombe in Torrevieja. Die ETA hat allerdings ein Problem: Die jungen „Feierabendterroristen“ sind unzureichend ausgebildet. Da sie einem normalen Leben nachgehen, haben sie keine Zeit für längere Schulungen. In letzter Zeit versagen die ETA-Bomben deshalb immer öfter oder gehen wie in Torrevieja oder in Bilbao, wo sich vor einem Jahr vier junge Etarras mit ihrem Auto in die Luft sprengten, zu früh los.

Nicht nur an der Küste befürchtet Spaniens Innenministerium für diesen Sommer Sprengstoffattentate. Die ETA sucht sich auch weiterhin ganz gezielt Personen als Anschlagsziele aus. Vor zwei Wochen wurden am selben Tag ein Gemeinderat der konservativen UPN in Navarra und ein führender Offizier der baskischen Polizei in Guipuzcoa Opfer zweier Anschläge. 4.300 Beamte sind mittlerweile als Leibwächter für Politiker und herausragende Persönlichkeiten in- und außerhalb des Baskenlandes abgestellt.

Um eine erneute Sommeroffensive zu verhindern, setzt Spaniens Innenminister Rajoy auf eine stärkere Zusammenarbeit mit Frankreich. Sein französischer Amtskollege in Paris, Daniel Vaillant, hat Madrid verschärfte Kontrollen an der französisch-spanischen Grenze zugesichert und will die französischen Sprengstofffabriken besser bewachen lassen. REINER WANDLER