Lauer Cocktail an lauem Sommerabend

■ Eine „brasilianische Björk“ vor der gediegenen Oldenburger Schlosskulisse: Das Konzert von Andrea Marquee war ein Ereignis der angeschrägten Art

Irgendwie war alles ein bisschen schräg an diesem äußerst lauen Sommerabend. Immerhin: Das Wetter stimmte, und so gab es viele Blumenkleider auf der zweiten Latin- Hispano-Nacht im Rahmen des Oldenburger Kultursommers. Aber der Kartenpreis von 32 Mark für das hochgesponserte Konzert der Brasilianischen Newcomerin Andrea Marquee (plus Band) ließ dann doch viele an der Kasse zaudern, schließlich konnte man sich auch vor den Toren des Schlosshofes ein lauschiges Plätzchen suchen – umsonst, draußen und mit besserer akustischer Quualität.

Die nämlich war im, katastrophalerweise voll bestuhlten, Schlosshof richtig schlecht: zu laut, teilweise übersteuert. Zudem dröhnte ein Bass durch und die ehrwürdigen Schlosswände warfen das Ganze dann als Brei zurück. Und da in der Ankündigung was von Astrud Gilberto und dem „Girl von Ipanema“ stand, waren auch viele ältere ZuhörerInnen gekommen, offensichtlich auf swingenden Bossa eingestellt, auf laue Luft und süffige Cocktails von der mobilen Bar. Aber da stand auch was von Acid Jazz – nur was das ist, wissen wahrscheinlich nur die Jüngeren.

Und das ist Andrea Marquee: Jung, selbstbewusst, sexy, energiegeladen. So was wie die brasilianische Björk, stimmlich äußerst nuancenreich, irgendwie nie Atem holend fegt sie mit dem Samba-swing in den Hüften in zwei Sets à 45 Minuten über die Bühne. Sie stützt sich auf zwei Rhythmusbeine: einmal ein sehr sensibles Schlagzeug und dann noch eine Percussioneinheit mit Congas, verschiedensten Rasseln, Tambourin und anderen Glockenspielen. Vom Synthesizer sprudeln Wasserklänge ins Publikum, ein funkiger Bass springt dazwischen, Chor vom Band, knallende Rhythmen, schneller Samba, rockige Gitarrenriffs.

Andrea Marquee schraubt sich stimmlich hoch, aggressiv rockig, provozierend erzählt die fünfundzwanzigjährige Schauspielerin und Sängerin vom „Paso“, dem Schritt, den sie tut, den Weg, den sie geht. Dann kommt langsamer, schmeichelnder Bossa ins Spiel, swingt sich in jazzige Randbereiche, schmuggelt atonale Ausflüge ein, stürzt ab in harte Breaks, und die Ukulele spielt tanzbaren Samba, Caféstimmen klingen vom Band. Wir sind mitten in Rio, im Pulsieren der Stadt, verschiedenste Farben, Gerüche, Kulturen dieses riesigen Landes treffen in dieser Musik auf harten Acid Jazz, dann wieder shuffelt alles in Rythm-'n-Blues-Manier vor sich hin.

Das alles wird sehr afrikanisch und die Marquee tanzt sehr schwarz, sehr bodenverbunden, ihre Stimme gellt im Sound, den die junge Miriam Makeba geprägt hat.

Dann wieder flirtet die Band mit Jimi Hendrix, harte Riffs, aggressive Slides schmettern sich ins Publikum, darunter bubbert weiter der süffige Sambarhythmus. „Vai“ also „Geh“ schmettert diese junge Frau da vorne mit dem gepiercten Bauchnabel dem sommerlaunigen Publikum entgegen, harter Indiepop rammt Punk, und der treibt sich mit Tropicália rum. Ein hochexplosiver Cocktail, der im Park unter Bäumen sicher extatische Tanzgebärden provoziert hätte – vor gediegener Schlosskulisse aber schmeckte er leider lau. mig