„Beim nächsten Film wirst du gekillt“

■ Margarethe von Trotta, Sommergästin bei Radio Bremen, erzählt im taz-Interview von fiesen Kritiken, reuigen Kritikern und Werner Herzogs Wolfs-Weissagungen. Auch ihr peinlichster Film wird erwähnt

Es war eine der bisher besten „Sommergast“-Sendungen, die Radio Bremen zwei am Samstag im Foyer der Schauburg produzierte. Zum einen, weil Moderator Otmar Willy Weber derart gut vorbereitet war, dass Margarethe von Trotta immer wieder erstaunt fragte: „Wo haben Sie das denn her?“ Zum anderen, weil ihr der schlagfertige Ton des Moderators sehr lag, so dass die beiden sich einige sehr amüsante Wortduelle voller Esprit lieferten.

taz: Frau von Trotta, das scheint Ihnen hier ja alles gut gefallen zu haben.

Margrethe von Trotta: Ich fand es sehr schön! Vor allen Dingen diese liebevoll aufmerksamen Zuschauer zu erleben, war für mich eine besondere Erfahrung. Das war sehr lebendig, und man merkt, dass es da ein Publikum gibt, das mit solch einer Sendung umgehen kann.

Sie haben in der Schauburg auf der Bühne auch gesagt: „Meine Filme sind ja leider immer so ernst“, und ich hatte dabei das Gefühl, dass Sie das nicht nur ironisch gemeint haben.

Bei mir kommen halt immer so Schübe, denen man sich aussetzt, und ich bin jemand, der sich immer allem aussetzt, und aus denen entstehen dann meine Filme. Aber ich hab auch schon mal eine Komödie gemacht, so ist es ja nun nicht. Die habe ich zwar nicht geschrieben, aber immerhin! Das war im Fernsehen, in so einer Reihe „Starke Frauen“ mit Senta Berger in der Hauptrolle. Die hieß „Mit 50 küssen Männer anders“. Ein schrecklicher Titel, den ich eigentlich gar nicht in meiner Filmografie haben will. Aber es ist mir gelungen.

Ich habe Sie vor einiger Zeit im Fernsehen in einer alten Folge des „Kommissars“ entdeckt. Und das war ein fast schon komischer Kontrast zu dem, was Sie ja auch damals schon machen wollten.

Damals haben wir alle in München mal mitgespielt – und das galt eigentlich als eine Schmach. Aber die hatten einen sehr guten Kameramann, noch von der UFA, der in Schwarzweiß drehte. Wenn man die Serie heute sieht, sind das ja kleine Meisterwerke, und damals haben wir die sehr von oben herab betrachtet. Wir wollten Nouvelle Vague machen, aber doch nicht sowas.

Eine Konstante bei Ihren Filmen sind ja die bösen Verisse. Selbst der allseits gelobte Fernsehvierteiler „Jahrestage“ nach dem Roman von Uwe Johnson hat dann doch was abbekommen.

In der „Süddeutschen“ und in der „Zeit“ haben ausgewiesene Literaturkritiker den Film besprochen. Der eine hat Volker Schlöndorff später erzählt, dass er nie ins Kino geht. Und denen hat natürlich alles gefehlt. Sechs Stunden Film und 1.600 Seiten Literatur, ich bitte Sie! Und die haben dann mich angegriffen, als ob ich alleine den Film gemacht hätte, obwohl es ja zwei Drehbuchschreiber gegeben hat. Daran sieht man schon, dass die überhaupt keine Ahnung hatten.

Aber wäre es Ihnen nicht inzwischen hochsuspekt, wenn ein Film von Ihnen in Deutschland keine Verrisse produzieren würde? Würden Sie dann nicht glauben, sie hätten was falsch gemacht?

Ja, genau! Aber ich glaube, das wird mir nicht passieren!

Vielleicht kratzen Sie mit ihren Filmen immer an den wunden Stellen der Deutschen. Das begann ja mit der „Bleiernen Zeit“.

Nein, der genau war mein letzter Film, der sehr gute Kritiken bekam. Es fing dann mit „Heller Wahn“ an. Aber das hatte mir Werner Herzog schon vorausgesagt: „Du bist jetzt zu erfolgreich! Egal was du jetzt machst, beim nächsten Film wirst du gekillt!“ Und genauso war es. Wie die Wölfe sind sie darüber hergefallen.

Haben Sie inzwischen einen Sinn dafür entwickelt, solche Streitobjekte zu schaffen? Etwas ganz Harmloses würden Sie wohl von vornherein gar nicht anfassen wollen

Nicht unbedingt, ne! Aber das ergibt sich immer so. Ich sage mir nie, jetzt will ich aber was machen, für das ich wieder angegriffen werde. Das passiert mir einfach, und ich bin jedesmal neu erstaunt und frage mich, was habe ich denn jetzt schon wieder fertiggebracht, dass alle so aufschreien.

Denken Sie da manchmal: Sollen die sich doch erstmal selber so mit einem Film abmühen, bevor sie ihn so herunterputzen?

Das nun nicht gerade. Aber Hans C. Blumenberg hat uns junge deutsche Filmemacher damals in der „Zeit“ ja ganz schön runtergemacht. Und dann hat er die Seite gewechelt, sein erster Film wurde noch geschont, aber beim zweiten haben sie dann ordentlich bei ihm draufgeschlagen. Der ist dann zu uns allen gekommen und hat sich bei uns entschuldigt: „Das wußte ich ja gar nicht, was es bedeutet, wenn man so fertiggemacht wird.“

Billy Wilder hat mal gesagt, er würde seine Filme nur wegen seiner Gage machen. Bei Ihnen ist es ja fast umgekehrt, wenn Sie mühsam das Geld zusammensuchen müssen, um die Filme zu realisieren.

Das war ein Scherz von Billy, er hat da so einen jüdischen Humor, der selbstironisch mit dem Klischee das geschäftstüchtigen Juden spielt. Nein, ich habe in den 50er Jahren in Paris die Filme von Ingmar Bergmann entdeckt – und gespürt, wenn man solch ein Kino machen kann, bei dem man auch die Psyche ausleuchtet, dann will ich das auch machen! Ich sehe das ja jetzt bei vielen jungen Filmemachern, dass sie Filme machen wollen, weil sie das toll finden! Das heißt dann natürlich auch, dass sie unbedingt den Ruhm ernten wollen. Aber wenn das die Anschubkraft ist, dann reicht das nicht aus, und dann ist man sehr leicht zu erschüttern.

Interview: W. Hippen