Hoffnung für den Kleinanleger

Aktionäre orientieren sich vor allem an Gewinnmeldungen von Firmen. Was aber passiert, wenn diese falsch sind? Gibt es dann den Einsatz zurück?

aus Augsburg KLAUS WITTMANN

Als am 16. November 2000 die Infomatec-Vorstände Gerhard Harlos und Alexander Häfele verhaftet wurden, war für tausende von Anlegern klar, dass sie jetzt viel Geld abschreiben können. Der einstige Börsenstar am Neuen Markt, der mit einer „Surfstation“ den Internetzugang vom heimischen Fernseher aus möglich machen wollte, stand vor der Pleite. Vom einstigen Höchststand der Aktie mit fast 80 Euro ist nicht viel geblieben. Gerade einmal für 18 Cent wurde sie am Freitag gehandelt.

Spätestens mit der Festnahme der Vorstände wurde klar, dass es nicht alleine um eine monatelange Überbewertung eines Start-up-Unternehmens ging, sondern dass auch eine Menge krimineller Energie im Spiel sein musste. Die Augsburger Softwarefirma ist keine Ausnahme, denn Staatsanwälte haben so manche Neue-Markt-Firma im Visier, und die Gelackmeierten sind in der Regel die Kleinanleger.

Doch deren Chancen, jemals wieder etwas von ihrem eingesetzten Geld zurückzubekommen, sind bislang denkbar schlecht. Das Problem, sagen Aktionärsschützer, sei der Nachweis, dass bei einem bestimmten Verhalten der Aktiengesellschaft und ihrer Vorstände der Verlust nicht entstanden wäre.

Allenthalben werden derzeit schärfere Vorschriften gefordert, vorbereitet und eingeführt. So lässt die Bundesregierung einen Verhaltenskodex für börsennotierte Unternehmen erarbeiten, mit dem die Firmenvorstände bei Fehlverhalten stärker in Haftung genommen und die Information der Anleger verbessert werden sollen. Auch die Deutsche Börse, deren Neuer Markt von 8.583 Punkten im März 2000 auf mittlerweile unter 1.200 abgestürzt ist, wird jetzt aktiv. Spätenstens seit einige bekannte Firmen wie MobilCom oder Biodata drohten, aus der Looser-Börse auszusteigen, ist man um imagefördernde Maßnahmen bemüht. Vorstandsmitglied Volker Potthoff teilte unlängst mit, dass ab Oktober die so genannten „Penny Stocks“, Aktien mit einem Wert von unter einem Euro, vom Kurszettel verbannt würden.

Noch bedeutender dürfte aber eine Serie von Schadensersatzklagen von Kleinaktionären werden. Sollten sie erfolgreich sein, würde dies den Anlegern wohl ein erhebliches Mehr an Sicherheit geben. Die Chancen stehen nicht schlecht. So hat der Augsburger Rechtsprofessor Thomas Möllers ein Gutachten zur Haftung von Vorständen gegenüber Anlegern erarbeitet und kommt zu dem Schluss, dass Anleger in besonderem Maße auf die Richtigkeit von „Ad-hoc-Mitteilungen“ vertrauen. Derartige Meldungen herauszugeben sind Firmen gesetzlich verpflichtet, wenn etwa der Gewinn einbricht oder ein Großauftrag hereinkommt.

Im Falle von Infomatec sind, so Gutachter Möllers, solche Erfolgsmeldungen tatsächlich die Ursache dafür, dass viele Anleger die Aktie gekauft haben. Leider entpuppten sich die Meldungen als falsch, worauf der Kurs massiv einbrach. Der Vorstand „handelte mit Schädigungsvorsatz“ und sei daher haftbar.

Doch dies ist bisher nur die Meinung eines Rechtsgutachters. Urteile in einem solchen Streit gibt es noch nicht. Die ausstehenden Verfahren sollen das ändern. Der Münchner Rechtsanwalt Klaus Rotter vertritt mit seiner Kanzlei für Wertpapieranleger mehr als 200 Infomatec-Aktionäre, für die er stellvertretend eine Muster-Schadensersatzklage eingereicht hat. Noch im Sommer soll in einem Musterprozess vor der 3. Zivilkammer des Augsburger Landgerichts das Urteil gefällt werden.

Bislang haben die Gerichte Klagen von Kleinanlegern stets zurückgestellt mit dem Hinweis auf das noch ausstehende Strafverfahren gegen die Exvorstände Häfele und Harlos. Nun jedoch will das Gericht in Augsburg den Termin der Verhandlung über die Schadensersatzklage nicht länger vertagen. „Nach derzeitigem Stand haben wir nicht vor, das Verfahren auszusetzen“, sagt der Vorsitzende Richter der 3. Zivilkammer am Augsburger Landgericht, Hans Gleich. Und er lehnte dann auch mit Verfügung vom 19. 7. 2001 einen Antrag der Infomatec-Anwälte auf Verlegung des Termins ab. Am 6.August soll der Prozess beginnen.

Und in diesem werden deutliche Worte fallen, macht Wirtschaftsanwalt Rotter deutlich. Zur Schuldfrage in Bezug auf die Flops am Neuen Markt meint er: „Die Schuldigen sind unseres Erachtens zum Teil die Emissionsbanken, auch die Wirtschaftsprüfer und dann auch die Börsenzulassungsbehörde, die überhaupt nicht geprüft hat, ob hier ein Unternehmen an die Börse geht, das börsenfähig ist oder nicht.“ Und genau aus diesem Grund bereitet der Anwalt auch eine Klage gegen die Westdeutsche Landesbank (WestLB) vor (siehe unten). Sollte er hier Erfolg haben, dürften die Chancen der Infomatec-Anleger, ihr Geld zurückzubekommen, steigen.