Powell in Peking

Der US-Außenminister und die chinesische Führung hoffen auf eine Verbesserung der Beziehungen. Bush-Besuch für Oktober geplant

PEKING taz ■ Die USA und China bemühen sich derzeit, das abgekühlte Klima zwischen beiden Staaten wieder zu verbessern. Dies wurde deutlich bei dem 24-stündigen Besuch von US-Außenminister Colin Powell in Peking, seinem ersten in dieser Funktion unter der Regierung von George W. Bush. Seine Botschaft an die chinesische Führung: Bush sei trotz aller Gegensätze an „konstruktiven, in die Zukunft gerichteten Beziehungen“ interessiert. Beide Seiten vereinbarten neue Rüstungsgespräche und wollen künftig wieder über die Menschenrechtslage diskutieren.

Die Regierungen haben offenbar – sehr zum Ärger von Hardlinern in Peking und Washington – eingesehen, dass aggressives Auftreten niemandem weiterhilft. Denn es steht viel auf dem Spiel. Schon Anfang nächsten Jahres dürfte Peking Mitglied der Welthandelsorganisation WTO werden. US-Firmen hoffen, dass sie dann wichtige Anteile des chinesischen Markts erobern können. Und in asiatischen Konfliktgebieten können nur gemeinsame Lösungen gefunden werden. Die Welt und die Region erwarteten, so Powell, dass China und die USA „zusammenarbeiten und weiterkommen“.

Doch weder Amerikaner noch Chinesen machten einen Hehl daraus, dass die Kluft nach wie vor tief ist. Die USA fürchten zum Beispiel, dass Peking an Iran und Pakistan Technologie liefert, die zum Bau von Atomraketen genutzt werden könnte. Außerdem wirft Washington den Chinesen vor, die Menschenrechte massiv zu verletzen. Pekings Regierung ist wiederum erzürnt über das Vorhaben der Amerikaner, Taiwan mit modernen Waffensystemen auszurüsten. Powells Worten zufolge hat die chinesische Regierung beteuert, sie habe – entgegen Erkenntnissen des US-Geheimdienstes – keine neuen Raketen gegenüber Taiwan in der chinesischen Provinz Fujian aufgestellt. Außerdem fühlen die Chinesen sich vom geplanten US-Raketenabwehrsystem bedroht. Sie fürchten um die militärische Stabilität im Asien-Pazifik-Raum.

Wie sich die delikaten Beziehungen zwischen Amerikanern und Chinesen entwickeln werden, hängt nach Ansicht vieler Beobachter vom Chinabesuch von US-Präsident Bush im Oktober ab. Die Visite, so Premier Zhu Rongji zu Powell, sei eine „seltene historische Gelegenheit“.

JUTTA LIETSCH