„Teile und herrsche – nicht mit uns“

■ Nach dem Vorbild der „Hamburger Ehe“ tritt morgen das neue Lebenspartnerschaftsgesetz in Kraft. Im Standesamt Altona werden zwölf schwule und drei lesbische Paare sich das Ja-Wort geben. Im taz-Porträt: Ein schwules Paar, das morgen gerne heiratet, und ein lesbisches, das die Ehe überflüssig findet

Seit fünfeinhalb Jahren sind Heike und Wiebke zusammen. „Ich komme aus der feministischen Bewegung“, sagt Heike, „ich habe mich immer für die Abschaffung der Ehe engagiert.“ Dass binationale Paare heiraten oder andere das Bedürfnis nach kirchlichem Segen haben, kann die 42-Jährige verstehen, aber selbst zu heiraten kommt für sie nicht in Frage. Wiebke stimmt ihr zu: „Beziehung leben ist so etwas Persönliches, das muss nicht verstaatlicht werden.“ Die Sicherheit, dass die Lebenspartnerin anstatt der Familie das Erbrecht hat, spielt für die Frauen keine Rolle. Die Reduzierung auf zwei Personen, die eine Lebensgemeinschaft sind, das bilde ihr Leben nicht ab. Heike hat viele Freundinnen, denen sie etwas hinterlassen möchte. „Ich kann mich auch darauf verlassen, dass meine Familie, wenn mir etwas zustößt, meinen Wünschen entsprechend handelt.“

Beide befürchten, dass sich durch das neue Gesetz die Situation der nicht verheirateten Homosexuellen verschlechtert. „Wenn ich im Krankenhaus sage, dass ich die Geliebte von Heike bin, akzeptieren das die Ärzte in der Regel.“ Künftig, so ihre Angst, könnten die Ärzte sie nach dem Motto abweisen: Ihr könnt doch heiraten. „Wenn dieses Gesetz kommt, werden die Individualrechte darunter leiden“, findet auch Heike.

„Die Paare, die heiraten, möchten wahrscheinlich ein Zeichen setzen“, schätzt Wiebke. „Aber das kann man nicht so erreichen“, wirft ihre Freundin ein. Sie selbst trete seit ihrem Coming-out öffentlich auf. „Ich gehe so mit dem Lesbischsein um, wie ich es empfinde, nämlich als normal, und ich brauche keinen Schein, um das öffentlich zu machen“, findet sie.

In Hamburg heiraten morgen 15 homosexuelle Paare. Dass Schwule schneller zum Standesamt gehen als Lesben, liege daran, „dass Männer immer noch mehr Geld haben als Frauen“, glaubt Heike. „Es ist reizvoller für Schwule, weil sie in der Regel mehr zu vererben haben“, stimmt ihre Freundin zu. Außerdem hätten sie keinen feministischen Hintergund und auch kein Problem damit, den Namen des Partners anzunehmen, erregt sich Heike: „Die Männer freuen sich – toll, ich darf den Namen meines Partners annehmen – ich habe dafür gekämpft, dass Frauen ihren Namen behalten dürfen.“

Beide haben jedoch Verständnis dafür, wenn Schwule heiraten wollen. „Sie haben durch AIDS einen ganz anderen Druck, sich abzusichern“, so Heike. Es gebe bestimmt viele, die den Tod von Freunden erlebten und mit ansehen mussten, wie die Familie mit den Partnern umgegangen ist. „Ich kann verstehen, dass sie sich absichern wollen“, erklärt Wiebke, „aber ich würde mir wünschen, dass es nicht nötig ist, deswegen zu heiraten.“

Dass durch das neue Gesetz mehr Toleranz in der Gesellschaft entsteht, daran glauben beide nicht. „Wenn man von seinem Vermieter als dumme Lesben beschimpft wird, ändert es auch nichts, wenn ich und Heike eine Heiratsurkunde vorlegen können.“ Da solle die Ehe besser ganz abgeschafft werden und Steuervergünstigungen an Kinder geknüpft werden. „Aber es ist natürlich viel ungefährlicher, uns die Ehe zu geben, als die Ehe abzuschaffen“, glaubt Wiebke, und Heike ergänzt: „Das ist das Prinzip ,teile und herrsche'. “ Michaela Soyer