Bahn lässt sich von Privaten helfen

DB Cargo will unrentable Güterverkehrsstellen abstoßen. Für rund ein Drittel interessieren sich Privatbahnen, die das Geschäft rentabler abwickeln können. Doch die Hektik bei der Abwicklung macht einigen Privaten eine Übernahme schwer

aus TübingenJUTTA GERAY

„Mora C“ – dieser wohl klingende Name ist nicht Science-Fiction, sondern ein Sanierungsprogramm. „Marktorientiertes Angebot Cargo“ heißt das Projekt der DB Cargo ausgesprochen, zudem im Tübinger Regierungspräsidium jüngst der erste Vertrag unterschrieben wurde. Bis Jahresende will sich die Bahn von insgesamt 650 unrentablen Güterverkehrsstellen trennen und verhandelt derzeit über die Übergabe von 220 Standorten an regionale Privatbahnen. Was nach dem Stichtag übrig bleibt, soll stillgelegt werden; der betroffene Güterverkehr wandert dann auf die Straße.

Vertragspartner in Tübingen ist die Hohenzollerische Landesbahn, die 17 Güterverkehrsstellen im Raum Oberschwaben und Neckar-Alb übernimmt. Zu beiderseitigem Nutzen, wie „Mora C“-Projektleiter Klaus Kremper betont. Die regionalen Privatbahnen könnten nicht nur von der Anbindung an die Strecken und Dienstleistungen der DB Cargo AG profitierten, sondern die ausgewählten Standorte auch individueller und profitabler bedienen. Bei dieser Gelegenheit, so Kremper, wolle man auch endlich mit dem Vorurteil aufräumen, die Bahn dulde keinen Wettbewerb auf der Schiene. Schließlich profitiere sie hier von den Kunden, die ihr durch die Privaten zugeführt werden.

Allerdings gab es im Vorfeld Ärger, der genau dieses Vorurteil nährte. Ein privater Bahnunternehmer aus NRW, der ebenfalls mit DB Cargo verhandelt, spricht vorsichtig von „Strukturproblemen“ – die Cargo AG kündigte im Mai den betroffenen Kunden in NRW den Schienentransport, ohne vorher die Privatbahnen zu informieren. Die Kunden wussten oft gar nichts von privaten Alternativen, Informationen zu Stilllegungsstandorten und betroffenen Kunden gab es erst im Juni, so die Kritik.

Projektleiter Klaus Kremper rechtfertigt den späten Verhandlungsbeginn damit, dass zunächst alle Standorte auf Wirtschaftlichkeit überprüft werden mussten. Gegenüber dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmer (VDV) hatte die Bahn Cargo die knappe Frist aber auch mit dem Argument erklärt, man wolle das Projekt möglichst schnell und ohne lange politische Diskussionen durchziehen. Die gab es dann aber doch, als im März die ursprünglich geplante Stilllegung oder Übergabe von 50 Prozent der Güterverkehrsstellen bekannt wurde. Erst nach politischem Druck wurde auf ein Drittel reduziert.

Das baden-württembergische Verkehrsministerium kritisierte bei der Vertragsunterzeichnung die Bundespolitik, welche die Bahn finanziell vernachlässige. Gleichzeitig zeigte Baden-Württemberg beim Deal mit der Hohezollerischen Landesbahn, dass auch ein Land Bahnpolitik betreiben kann: Es unterstützte die Eigeninvestitionen der Landesbahn mit einer Million Mark.

Trotz kurzer Fristen sieht Geschäftsführer Martin Henke vom VDV optimistisch in die Zukunft. Einige der 650 betroffenen Güterverkehrsstellen seien echte Karteileichen aus den Zeiten, als die Bahn noch Staatsbetrieb war. Dafür interessiere sich zu Recht auch keine regionale Privatbahn. Die steigenden Gründungszahlen von Privatbahnen, alleine 10 im vergangenen Jahr, sieht er positiv und glaubt mittelfristig an ein profitables Geschäft.

Wachstumschancen begründet Martin Henke mit dem zunehmenden Interesse der Wirtschaft an einer Schienenanbindung. Bei der „just in time“-Kalkulation mit dem Lkw stelle sich immer häufiger ein „just zu spät“ heraus. So könnten Privatbahnen aus der Not eine Tugend machen und nicht nur die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Straße abmildern, sondern selbst gute Geschäfte machen.